Kinder- und Jugendliteratur

Das Kinderbuch erklärt den Krieg

Die geistige Kriegsvorbereitung in Kinder- und Jugendbüchern nach 1871

Das Thema Militär war in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Deutschland in allen Bereichen der Kinder- und Jugendliteratur präsent. Einen zusätzlichen Anstoß zur Publikation von Kriegserzählungen gab der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71. Der Sieg über den »Erbfeind« Frankreich stärkte das Nationalgefühl und führte zu einer Welle von Kriegserzählungen, in denen soldatische Tugenden verherrlicht wurden. Auffällig ist die große Anzahl von Soldatenbilderbüchern für jüngere Kinder. Während im Bildteil in der Regel der sachlich-informative Charakter überwog, hatten die Texte oft eine aggressive Grundtendenz. Die Bilderbücher und Erzählungen leisteten, durch entsprechende Erzeugnisse der Spielwarenhersteller wie Zinnsoldaten, Spielzeugsäbel, Helme sowie diverse Brettspiele ergänzt, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur militärischen und nationalpädagogischen Erziehung.
Neben kriegsverherrlichender Massenliteratur gab es aber auch Beispiele komisierender und karikierender Darstellung des Militärs im Kinderbuch. Dazu gehören das Bilderbuch »Wie die Tiere Soldaten werden wollten« von Fedor Flinzer und Georg Bötticher, das sich allerdings weniger an Kinder als an erwachsene (Mit)Leser richtet, sowie das »Militärische Ziehbilderbuch« des bayerischen Karikaturisten und Illustrators Lothar Meggendorfer. In diesem Spielbilderbuch gibt Meggendorfer den militärischen Drill der Lächerlichkeit preis. Zu den deutschen Publikationen dieser Art gibt es auch Pendants in der englischen Kinderliteratur, wie »The Golliwogg in War!« von Florence K. Upton und Bertha Upton oder »An ABC für Baby Patriots« von Mary Frances Ames mit humorvollen Illustrationen zur britischen Armee.
Auch in den österreichischen Kinderbüchern sind patriotische Themen und die Darstellung von Soldaten in Bild und Text ganz selbstverständlich. »Für den Kaiser das Blut, für den Kaiser das Gut! …« – so steht es in »Alexander Pock’s Bilderbuch für die Jugend im Alter von 5–8 Jahren «, das 1899 in Wien erschienen ist. In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts mehren sich die Zeichen einer ideologischen Hinführung zur Möglichkeit eines Kriegs. Die Habsburger-Monarchie hatte zwar eine über dreißigjährige Friedenszeit erlebt, doch die politischen und sozialen Spannungen erzeugten ein wachsendes Krisengefühl, das durch konfliktreiche Entwicklungen in anderen Ländern, vor allem auf dem Balkan, noch verstärkt wurde. Die »Verteidigung des Vaterlandes« wurde eine Zukunftsvorstellung, die sich in vielen Kinder- und Jugendbüchern in unterschiedlichen Formen manifestierte. Ob Schilderungen vergangener Kriege, Darstellungen der deutschen Heldensagen (wie in dem Bilderbuch »Die Nibelungen« von Carl Otto Czeschka und Franz Keim), historische Erzählungen, in denen Mut und Entschlossenheit Lösungen von Konflikten bringen – immer wurden damit Vorbilder konstruiert: Im Leben der jungen Österreicher sollte die Vorstellung eines kommenden Kriegs und der damit für den Einzelnen wie für das ganze Volk verbundenen Pflichten durchaus präsent sein.
Aus heutiger Sicht darf allerdings nicht vergessen werden, dass diese Hinführung zur Akzeptanz kriegerischer Auseinandersetzungen, die sich in vielen Kinderbüchern spiegelt, zur gleichen Zeit geschieht, in der andere Bücher die Zeichen einer neuen, friedlichen und kindergerechten Moderne erkennen lassen, und dass damit die Bücher über Krieg und Militär nur eine Facette der Kinderliteratur dieser Zeit darstellen.

 

Die geistige Kriegsvorbereitung in Kinder- und Jugendbüchern nach 1871

Das Thema Militär war in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Deutschland in allen Bereichen der Kinder- und Jugendliteratur präsent. Einen zusätzlichen Anstoß zur Publikation von Kriegserzählungen gab der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71.
Der Sieg über den »Erbfeind« Frankreich stärkte das Nationalgefühl und führte zu einer Welle von Kriegserzählungen, in denen soldatische Tugenden verherrlicht wurden. Auffällig ist die große Anzahl von Soldatenbilderbüchern für jüngere Kinder. Während im Bildteil in der Regel der sachlich-informative Charakter überwog, hatten die Texte oft eine aggressive Grundtendenz. Die Bilderbücher und Erzählungen leisteten, durch entsprechende Erzeugnisse der Spielwarenhersteller wie Zinnsoldaten, Spielzeugsäbel, Helme sowie diverse Brettspiele ergänzt, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur militärischen und nationalpädagogischen Erziehung.

Die Diskussion um »Minderwertige Jugendbücher« und der »Tendenzstreit«

Ende des 19. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach Kinderbüchern zum Themenbereich Militär und Krieg an, und viele dieser Bücher waren kommerziell durchaus erfolgreich.
Insbesondere die vom Mainzer Scholz-Verlag herausgegebene Folge »Vaterländische Bilderbücher« sowie die ebenfalls bei Scholz verlegte Reihe »Mainzer Volks- und Jugendbücher«, die von dem nationalistisch eingestellten Lehrer und Publizisten Wilhelm Kotzde (eigentlich Wilhelm Kottenrodt) herausgegeben wurde, fand, nicht zuletzt wegen ihrer soliden Ausstattung und der ansprechenden grafischen Gestaltung, viele interessierte Leser.

Die kriegsverherrlichenden und teilweise sogar offen chauvinistischen Publikationen erregten jedoch den Widerspruch der Vertreter der Jugendschriftenbewegung, die überwiegend aus der Lehrerschaft stammten und sich den Kampf gegen »minderwertige Jugendbücher« zum Ziel gesetzt hatten.

Neben kriegsverherrlichender Massenliteratur gab es aber auch Beispiele komisierender und karikierender Darstellung des Militärs im Kinderbuch. Dazu gehören das Bilderbuch »Wie die Tiere Soldaten werden wollten« von Fedor Flinzer und Georg Bötticher, das sich allerdings weniger an Kinder als an erwachsene (Mit)Leser richtet, sowie das »Militärische Ziehbilderbuch« des bayerischen Karikaturisten und Illustrators Lothar Meggendorfer. In diesem Spielbilderbuch gibt Meggendorfer den militärischen Drill der Lächerlichkeit preis. Zu den deutschen Publikationen dieser Art gibt es auch Pendants in der englischen Kinderliteratur, wie »The Golliwogg in War!« von Florence K. Upton und Bertha Upton oder »An ABC für Baby Patriots« von Mary Frances Ames mit humorvollen Illustrationen zur britischen Armee.
Auch in den österreichischen Kinderbüchern sind patriotische Themen und die Darstellung von Soldaten in Bild und Text ganz selbstverständlich. »Für den Kaiser das Blut, für den Kaiser das Gut! …« – so steht es in »Alexander Pock’s Bilderbuch für die Jugend im Alter von 5–8 Jahren «, das 1899 in Wien erschienen ist. In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts mehren sich die Zeichen einer ideologischen Hinführung zur Möglichkeit eines Kriegs. Die Habsburger-Monarchie hatte zwar eine über dreißigjährige Friedenszeit erlebt, doch die politischen und sozialen Spannungen erzeugten ein wachsendes Krisengefühl, das durch konfliktreiche Entwicklungen in anderen Ländern, vor allem auf dem Balkan, noch verstärkt wurde. Die »Verteidigung des Vaterlandes« wurde eine Zukunftsvorstellung, die sich in vielen Kinder- und Jugendbüchern in unterschiedlichen Formen manifestierte. Ob Schilderungen vergangener Kriege, Darstellungen der deutschen Heldensagen (wie in dem Bilderbuch »Die Nibelungen« von Carl Otto Czeschka und Franz Keim), historische Erzählungen, in denen Mut und Entschlossenheit Lösungen von Konflikten bringen – immer wurden damit Vorbilder konstruiert: Im Leben der jungen Österreicher sollte die Vorstellung eines kommenden Kriegs und der damit für den Einzelnen wie für das ganze Volk verbundenen Pflichten durchaus präsent sein.
Aus heutiger Sicht darf allerdings nicht vergessen werden, dass diese Hinführung zur Akzeptanz kriegerischer Auseinandersetzungen, die sich in vielen Kinderbüchern spiegelt, zur gleichen Zeit geschieht, in der andere Bücher die Zeichen einer neuen, friedlichen und kindergerechten Moderne erkennen lassen, und dass damit die Bücher über Krieg und Militär nur eine Facette der Kinderliteratur dieser Zeit darstellen.

 

Bewegte Beispiele:

Am Kopf der Seite: Die Regimentsmusik.
(Aus: Lothar Meggendorfer: Militärisches Ziehbilderbuch. München, 1890.)

Zum Bewegen der Figuren bitte den Mauszeiger über die kleinen Bildausschnitte ziehen.

1893 schlossen sich die zuvor meist regional organisierten Lehrervereine zu den »Vereinigten Deutschen Prüfungsausschüssen für Jugendschriften« zusammen, welche die auf dem Markt befindlichen Jugendbücher einer Analyse unterziehen, Qualitätsmaßstäbe entwickeln und Empfehlungen aussprechen sollten. Die Prüfungsausschüsse gaben ab 1893 die Zeitschrift »Jugendschriften-Warte« heraus, deren Redakteur von 1896 bis 1912 der Hamburger Lehrer und Schulreformer Heinrich Wolgast war. Für die Entscheidung über den Wert und Unwert von Jugendbüchern waren sowohl ästhetische als auch inhaltliche Gründe maßgeblich.

Bei der Bewertung der Neuerscheinungen durch die Prüfungsausschüsse, die regelmäßig Listen empfehlenswerter Bücher veröffentlichten, kam es (besonders durch die unterschiedlichen Auffassungen zur Behandlung des Militärs im Jugendbuch) zu heftigen Kontroversen, die im sogenannten »Tendenzstreit« mündeten.
Die Auseinandersetzung entzündete sich an Wilhelm Kotzdes Buch »Die Geschichte des Stabstrompeters Kostmann«, das von dem Berliner Prüfungsausschuss negativ bewertet worden war. Kotzde gab daraufhin gemeinsam mit dem Verleger Joseph Scholz die Streitschrift »Der vaterländische Gedanke in der Jugendliteratur« heraus, in der sie die Bedeutung patriotischer Bücher für die Jugend hervorhoben. Bei der Veröffentlichung dieses Bandes spielten allerdings nicht nur ideologische sondern auch handfeste materielle Gründe eine Rolle, denn die Forderung der Jugendschriftenausschüsse nach der »Tendenzfreiheit« in der Kinder- und Jugendliteratur wurde von Verlegern und Autoren, die mit solchen Jugendbüchern hohe Umsätze erzielten, als geschäftsschädigend betrachtet.