E.-T.-A.-Hoffmann-Archiv


"Euer wohlgebohrn!
Ich ergreife die Gelegenheit durch Hr: Neberich, mich einem So geistreichen Manne, wie sie sind, zu nähern - auch über meine wenigkeit haben sie geschrieben, auch unser Schwache Hr: Starke zeigte mir in Seinem Stammbuche einige Zeilen Von ihnen über mich, Sie nehmen also, wie ich glauben muß, einigen Antheil an mir; Erlauben Sie mir zu sagen, daß dieses, von einem mit So ausgezeichneten Eigenschaften begabten Manne ihres gleichen, mir sehr wohl thut.
ich wünsche ihnen alles Schöne u. Gute und bin
Euer wohlgebohrn
Mit Hochachtung
ergebenster
Beethoven"
Zitiert nach: E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel. Gesammelt und erläutert von Hans von Müller und Friedrich Schnapp. Herausgegeben von Friedrich Schnapp. 2. Band, Berlin 1814-1822, München 1968, S. 245.
So nahm er 1808 die Stelle des Kapellmeisters am Bamberger Hoftheater an. Wenngleich diese Anstellung wieder nur kurz währte, da das Theater 1809 Konkurs anmelden musste, war die Zeit in Bamberg für Hoffmanns Zukunft entscheidend, da er sich nun vermehrt der Schriftstellerei zuwendete. Dieses tat er zunächst in Form der Musikkritik, die eine seiner zentralen Tätigkeiten im Rahmen der Mitarbeit an der Allgemeinen Musikalischen Zeitung darstellte. In der von Johann Friedrich Rochlitz herausgegeben Zeitschrift veröffentlichte Hoffmann neben seiner ersten Erzählung Ritter Gluck (1809) auch zwei wichtige Beethoven-Rezensionen, die später in den Aufsatz Beethovens Instrumentalmusik im ersten Teil der Kreisleriana einflossen. Die Musik der Romantik, deren Wesen Hoffmann als „die unendliche Sehnsucht“ bezeichnete, lag ihm besonders am Herzen und in Beethoven sah er sie in ihrer reinsten Form manifestiert. Beethoven höchstpersönlich wandte sich in einem Brief vom 23. März 1820 an Hoffmann, um für das Schreiben über seine Werke zu danken: „Sie nehmen also, wie ich glauben muß, einigen Antheil an mir; Erlauben Sie mir zu sagen, dass dieses von einem mit So ausgezeichneten Eigenschaften begabten Manne ihres gleichen, mir sehr wohl thut.“ Im Kontext der Musikkritik entwickelte Hoffmann zu dieser Zeit auch die fiktive Figur des Kapellmeisters Kreisler, die in gewisser Weise sein literarisches Alter Ego darstellt und eine ganze Reihe von Kreisleriana-Erzählungen in den Fantasiestücken und in dem Roman Lebensansichten des Katers Murr durchzieht.
1810 fand Hoffmann eine neue Anstellung am Bamberger Theater als Direktionsgehilfe, Dramaturg und Dekorationsmaler. Daneben komponierte, schrieb und zeichnete er weiter und verdiente Geld als Musiklehrer. Eine heftige Verliebtheit in seine Musikschülerin Julia Mark machte ihm sehr zu schaffen und floss mitsamt seinen wechselnden Gefühlen in seine literarischen Werke ein: „Die seit der Empfindsamkeit geübte Kunst, Poesie aus dem Stoff des eigenen Lebens zu verfertigen und umgekehrt das eigene Leben nach poetischen Vorbildern zu stilisieren, wurde von Hoffmann mit außergewöhnlicher Konsequenz verwirklicht“ (Michael Neumann). Da Julia 1812 heiratete und auch die finanziellen Probleme Hoffmanns größer wurden, nahm er im darauf folgenden Jahr das Angebot, als Theaterkapellmeister in Dresden zu wirken, an. Während er zunehmend literarisch tätig war und weiterhin Erzählungen in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung veröffentlichte, spielte die Musik hier noch ein letztes Mal die Hauptrolle: Mit der in Bamberg begonnenen und 1814 vollendeten Oper Undine gelang ihm sein wohl wichtigstes musikalisches Werk, das 1816 in Berlin uraufgeführt wurde. In einem Brief vom 29. Mai 1815 an Friedrich de la Motte-Fouqué, der nach seiner eigenen Erzählung das Libretto verfasste, nennt Hoffmann „die Undine ganz und gar jetzt unsere gemeinschaftliche Sache“ und weist die vom Berliner Theaterdirektor Karl Friedrich Moritz Paul von Brühl vorgebrachte Kritik an seiner Person zurück: „Ohne einbildisch zu seyn glaube ich gerade den Ton, die Farbe des Gedichts getroffen zu haben […]“. Am Rande sei noch darauf hingewiesen, dass Hoffmann diesen Brief mit dem Namen Kreisler unterzeichnet hat.

Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz (Signatur 8" Yw 8643).


1819 wurde Hoffmann in die Immediat-Commission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe berufen. Durch seine aufrichtige Arbeit, die häufig Angeklagte vor polizeilicher Verfolgung schützte, zog er den Unmut des Berliner Polizeidirektors auf sich. Mit der Beförderung in den Oberappellationssenat erhielt Hoffmann 1821 andere Aufgaben. In einem Disziplinarverfahren wegen der Karikierung des Polizeidirektors in dem 1822 erschienen Roman Meister Floh und einer darauf folgenden Zensur des Werkes, fand diese Zeit aber ein trauriges Nachspiel.
Bereits 1819 war Hoffmann schwer an Lues erkrankt. Dennoch fand er in den nächsten Jahren weiterhin die Kraft, neben der täglichen Arbeit literarisch tätig zu sein. Mit Das Fräulein von Scuderi (1818) und den Lebens-Ansichten des Katers Murr (1819-21) erschienen wichtige Spätwerke; von 1819 bis 1821 wurden zudem Hoffmanns gesammelten Erzählungen und Märchen in den vierbändigen Serapionsbrüdern verlegt. Auch als Hoffmann schließlich halbseitig gelähmt den Lehnstuhl kaum mehr verlassen konnte, ließ seine literarische Produktivität kaum nach, so dass 1822 noch der erwähnte Meister Floh entstand. Am 25. Juni 1822 starb E. T. A. Hoffmann im Alter von 46 Jahren. Er ist auf dem Friedhof bei der Jerusalemer Kirche in Berlin begraben.
Hoffmanns Werk wurde von einer breiten Leserschaft begeistert aufgenommen, stieß aber unter vielen Autoren der Zeit auf Ablehnung. Das Bild des Trinkers, Geistersehers und Fantasten wurde nicht zuletzt durch die negativen Kritiken von Walter Scott mitgeprägt, der Hoffmanns Schaffen als Ausfluss eines kranken Hirns bezeichnete. Der dadurch bewirkten zögerlichen Aufnahme im englischsprachigen Raum stand aber eine Begeisterung in Frankreich und Russland entgegen, wo Hoffmann bis heute als Begründer der fantastischen Literatur gefeiert wird. In Deutschland änderte sich das Hoffmann-Bild erst um 1900, unter anderem durch die psychoanalytischen Interpretationen Freuds (1919). So wird Hoffmann heute in der gesamten Welt rezipiert und kreativ fortgeschrieben, in Musik, Wort und Bild.

Aus: Aus Hoffmann's Leben und Nachlass. Herausgegeben vom Verfasser des Lebens-Abrißes Friedrich Ludwig Zacharias Werners [d.i. Julius Eduard Hitzig], Zweiter Theil, Berlin 1823, nach S. 380.
Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz (Signatur 1 : 26 ZZ 212-2).
Die kleine Zeichnung gehört, nach L. Hirschberg, "zu den genialsten Eingebungen unsres Künstlers" (Die Zeichnungen Ernst Theodor Amadeus Hoffmanns. Zum ersten Mal gesammelt und mit Erläuterungen versehen von Leopold Hirschberg, Potsdam 1921, S. 27).

<p>(Günter de Bruyn, in: E.T.A. Hoffmann, Gespenster in der Friedrichstadt. Berlinische Geschichten. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Günter de Bruyn, Berlin 1986, S. 277)</p>

<p><i>Seine [d.i. Hoffmanns] Lebensordnung in den letzten sechs Jahren, von 1816 bis 1822, war die. Am Montage und Donnerstage brachte er die Vormittage in den Sitzungen des Kammergerichts, an den andern Tagen, zu Hause, arbeitend, die Nachmittage in der Regel schlafend, im Sommer auch spazierengehend, zu; die Abende und Nächte in dem Weinhause. War er, was häufig, in manchen Perioden täglich, geschah, Mittags oder Abends, oder Mittags und Abends [...], oft Abends in zwei Cirkeln, von sieben bis neun, und von neun bis zwölf, gewesen; so ging er, es mochte so spät seyn, als es wollte, wenn alle andere sich nach Hause begeben, noch in das Weinhaus, um dort den Morgen zu erwarten; früher in seine Wohnung zurückzukehren, war ihm nicht gut möglich.</p>
<p>Man denke hiebei aber nicht etwa an einen gemeinen Trinker, der trinkt und trinkt, aus Wohlgeschmack, bis er lallt und schläft; gerade das Umgekehrte war Hoffmann's Fall. Er trank, um sich zu montiren; dazu gehörte Anfangs, wie er noch kräftig war, weniger; später, natürlich mehr; - aber, war er einmal montirt; wie er es nannte, in exotischer Stimmung, die, oft bei einer halben Flasche Wein, auch nur ein gemüthlicher Zuhörer hervorrufen konnte, so gab es nichts Interessanteres, als das Feuerwerk von Witz und Glut der Fantasie, das er dann unaufhaltsam, oft fünf, sechs Stunden hintereinander, vor der entzückten Umgebung aufsteigen ließ. War aber auch seine Stimmung nicht exaltirt, so war er im Weinhause nie müßig [...]; er schaute vielmehr mit seinen Falkenaugen überall umher; was er an Lächerlichkeiten, Auffallenheiten, selbst an rührenden Eigenheiten, bei den Weingästen, bemerkte, wurde ihm zur Studie für seine Werke, oder er warf es mit fertiger Feder auf das Papier; kurz, er sprach selten seine Freunde, ohne daß er ihnen neue und pikante Curiosa aus dieser seiner Welt zu erzählen wußte.</p>
<p>[...] Oft war der geistreichste Kreis um ihm versammelt, und Fremde, die nach Berlin kamen und ihm gern sehen wollten, suchten ihn, da seine Lebensweise bekannt war, immer in seinem Weinhause auf [...].</i></p>
<p>Aus Hoffmann's Leben und Nachlass. Herausgegeben vom Verfasser des Lebens-Abrißes Friedrich Ludwig Zacharias Werners [d.i. Julius Eduard Hitzig], Zweiter Theil, Berlin 1823, S. 125-128.</p>

"Es ist nötig zu sagen, daß mein Vetter ziemlich hoch in kleinen niedrigen Zimmern wohnt. [...] Dabei liegt aber meines Vetters Logis in dem schönsten Teile der Hauptstadt, nämlich auf dem großen Markte, der von Prachtgebäuden umschlossen ist und in dessen Mitte das kolossal und genial gedachte Theatergebäude prangt. Es ist ein Eckhaus, was mein Vetter bewohnt, und aus dem Fenster eines kleinen Kabinetts übersieht er mit einem Blick das ganze Panorama des grandiosen Platzes."
Aus: E.T.A. Hoffmann, Des Vetters Eckfenster.
"Wird die Anschrift genannt, stellt ein Bild sich schon ein: [...] E.T.A. Hoffmann, im Schlafrock, mit rotem Mützchen, die lange Pfeife im Mund, sieht auf das Markttreiben vor dem Deutschen Dom hinab und bildet sich ein, daß das Buch, in dem das Blumenmädchen dort liest, sein Klein Zaches, genannt Zinnober ist."
Günter de Bruyn, in: E.T.A. Hoffmann, Gespenster in der Friedrichstadt. Berlinische Geschichten. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Günter de Bruyn, Berlin 1986, S. 275. - Bis 1846/47 war das zweite Geschoss, in dem Hoffmann wohnte, das oberste und recht niedrig. Zu diesem Zeitpunkt wurde es um ein Stockwerk erhöht und der Eingang in der Taubenstraße beseitigt.
Wie viele andere Ereignisse seines Lebens fand auch die Zusammenarbeit mit Fouqué ihren literarischen Niederschlag in Hoffmanns Werken: Ein fiktiver Briefwechsel zwischen Baron Wallborn und Johannes Kreisler, hinter denen sich niemand anderes als Fouqué und Hoffmann verbergen, erschien 1814 in Die Musen. Eine nordische Zeitschrift. Zusammen mit den Kreisleriana und mit weiteren Erzählungen, darunter das Märchen Der goldene Topf, wurden sie von Hoffmann auch in die 1814 und 1815 erschienene Sammlung Fantasiestücke in Callots Manier aufgenommen, mit der er seine ersten großen literarischen Erfolge feiern konnte. In unterschiedlichen Varianten begegnet in den Fantasiestücken der Einbruch des Fremden in die Realität, der Widerstreit von bürgerlicher Normalität und fantastischer Kunst, von äußerer Vernunft und geheimnisvoller Tiefe des menschlichen Unbewussten.
Die hier abgesteckten Themen durchziehen auch Hoffmanns spätere Texte und können als geradezu charakteristisch für sein Gesamtwerk gelten. So prägt die Erfahrung einer zerrissenen, gedoppelten Wirklichkeit auch den ab 1814 entstandenen Roman Die Elixiere des Teufels, dessen erster Band 1815 erschien und dem der zweite Band 1816 folgte. Hoffmann konnte damit allerdings nicht an den Erfolg der Fantasiestücke anknüpfen, wie er sich zunächst erhofft hatte.
1814 beendete Hoffmann seine musikalische Laufbahn in Dresden und kehrte nach Berlin zurück. Mit der Hilfe Hippels fand er dort eine Anstellung am Kammergericht und wurde 1816 zum Kammergerichtsrat befördert. Zugleich baute er sich in der Berliner Gesellschaft rasch einen großen Kreis von Freunden und Bewunderern auf; er pflegte Umgang mit Tieck, Chamisso, Eichendorff, Humboldt und weiteren bedeutenden Persönlichkeiten der Zeit. In einem Leben zwischen Kammergericht und der Weinstube Lutter & Wegner, in der er sich fast allabendlich mit dem Schauspieler Ludwig Devrient traf, fand er doch genug Zeit zum Schreiben und entwickelte eine hohe literarische Produktivität. Ab 1816 arbeitete Hoffmann an einer zweiten Sammlung von Erzählungen, den Nachtstücken. Die bekannteste Erzählung des Zyklus’ ist sicher Der Sandmann.


<p>Dazu J. E. Hitzig (ebd., nach S. XIV):
<i>Das gegenwärtige Bild ist nach einer Kreidezeichnung, die Hoffmann, eines Tages, als seine Frau ausgegangen war, auf einen Royalfoliobogen in Lebensgröße hinhuschte, und sie hinter ihre Blumentöpfe steckte, damit sie, wenn sie, heimgekehrt, ihn zwischen die Blumen hindurch blicken sähe, einen kleinen Schreck bekomme. Er hatte seinen Kopf gut in der Hand, aber so sich doch nie getroffen. Nach seinem Tode fand der Herausgeber die Zeichnung zerknittert, und fast ganz verwischt, unter dem Bücherschrank, und kann es Herrn Professor Buchhorn nicht genug danken, daß er es übernahm, aus den spärlichen Resten, das höchst geistvolle Blättchen zu liefern.</i></p>

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Beamter und Künstler, Musiker, Zeichner und Schriftsteller, wurde am 24. Januar 1776 in Königsberg als Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann geboren; aus Verehrung gegenüber Mozart ersetzte er 1805 den Vornamen Wilhelm durch Amadeus. Er wuchs in zerrütteten Familienverhältnissen mit einem trinkenden Vater und einer hysterischen Mutter auf. Nach der Scheidung der Eltern lebte er bei seiner Mutter, wurde jedoch weitgehend durch den Onkel Otto Dörffer, einem frommen, beschränkten und strengen Juristen, erzogen. Dieser sorgte jedoch früh für Musik- und Zeichenunterricht, sodass Hoffmann bereits mit 13 Jahren seine ersten Kompositionen zu Papier brachte.
Ab 1782 besuchte Hoffmann die reformierte Burgschule, an der er in Theodor Gottlieb von Hippel einen Freund fürs Leben fand. Im Jahr 1792 nahm er ein Jura-Studium auf, das er 1795 mit dem ersten Examen abschloss. Auch in dieser Zeit zeichnete und komponierte Hoffmann und schrieb seinen ersten Roman Cornaro, der jedoch nicht erhalten geblieben ist. Dem Studium folgten Anstellungen in Königsberg und ab 1796 am Gericht in Glogau. Zwei Jahre später, nach dem erfolgreich abgeschlossenen Referendarexamen, verlobte sich Hoffmann mit seiner Cousine Minna Dörffer und wechselte als Gerichtsrat nach Berlin. Das großstädtische künstlerische Leben konnte er jedoch nur kurze Zeit genießen, da er nach dem Assessorexamen im Jahr 1800 nach Posen versetzt wurde.
Aufgrund einiger Karikaturen, in denen sich Hoffmann über die Posener Gesellschaft lustig gemacht hatte, wurde er 1802 nach Plock/Weichsel strafversetzt. Im selben Jahr heiratete er die Polin Maria Thekla Michalina Rorer-Trzynska; die Verlobung mit Minna hatte er zuvor gelöst. Die Jahre in Plock und ab 1804 als Regierungsrat in Warschau standen vor allem im Zeichen der Musik. Neben seinem Hauptberuf schrieb, zeichnete und komponierte Hoffmann, engagierte sich beim Aufbau einer „Musikalischen Gesellschaft“ in Warschau und konnte als deren Dirigent auch erstmals eigene Werke aufführen. Mit dem Einrücken der französischen Truppen verlor er 1807 seine Anstellung und begab sich in Berlin auf Stellensuche, die jedoch erfolglos blieb.