Musik
Ergebnisse
Autographe
Die Tatsache, dass das Archiv eine Vielzahl von Originalhandschriften beinhaltet, war für die Zimelien des Bestandes (Bachiana) stets bekannt. Wie umfangreich und weit gefächert jedoch der Anteil an Originalhandschriften ist, zeigt erst eine detaillierte Quellenaufnahme. Zahlreiche bislang nicht bekannte Autographen konnten im Zuge der Arbeiten identifiziert werden. Mittlerweile ergibt eine Suchanfrage in der Datenbank mit den Parametern [Signatur] "SA*" und [Quellentyp] "Autograph" (bzw. "Teilautograph") auf der Grundlage der derzeitigen Datenbasis, dass es sich bei 432 von ca. 6.000 bislang erfassten bibliographischen Einheiten um Autographe und Teilautographe handelt (Stand Dezember 2008).
Darunter fallen Originalhandschriften (bzw. Einträge in Abschriften und Drucken) von: Carl Friedrich Abel, Johann Friedrich Agricola, Carl Philipp Emanuel Bach, Wilhelm Friedemann Bach, Giuseppe Antonio Bernabei, Ludwig van Beethoven (Widmungseintrag), Francesco Antonio Calegari, Heinrich Carl Ebell, Carl Eberwein, Carl Friedrich Christian Fasch, Johann Friedrich Fasch, Carl Heinrich Graun, Johann Gottlieb Graun, Ernst Grell, Johann Adolf Hasse, Johann David Heinichen, Karl Friedrich Ludwig Hellwig, Johann Adam Hiller, Gottfried August Homilius, Johann Gottlieb Janitsch, Giuseppe Jannacconi, Johann Philipp Kirnberger, Franz Xaver Kleinheinz, Felix Mendelssohn Bartholdy, Christian Heinrich Müller, Johann Friedrich Naue, Johann Samuel Carl Possin, Johann Joachim Quantz, Johann Friedrich Reichardt, Johann Carl Friedrich Rellstab, Vincenzo Righini, Johann Christian Roellig (= "Roellig jun."), Carl Friedrich Rungenhagen, Christoph Schaffrath, Johann Abraham Peter Schulz, Carl Stamitz, Agostino Steffani, Peter von Winter, Ernst Wilhelm Wolf, Carl Friedrich Zelter.
Abschriften
Für den künftigen Forschungsalltag beinahe entscheidender ist jedoch die Identifizierung und Klassifizierung der im Bestand auftretenden Kopisten, da 95% der Handschriften keine Autographe sind und nur über diesen Schritt Aussagen zur Provenienz, Entstehungszeit und gegebenenfalls Echtheit der Quellen gemacht werden können. Im Zusammenspiel mit bereits eingeführten Katalogen und Nomenklaturen können nachfolgende Schreibergruppen namentlich bzw. mit ihren Hilfsnamen identifiziert werden (auszugsweise und geordnet nach Städten bzw. Regionen):
Berlin (namentlich)
- J. G. Abt, W. Fr. Bach, F. Baumann, Fr. W. H. Benda, C. H. H. Benda, C. V. Bertuch, R. Buchholtz, F. C. Brinkmann, J. Ditmar (Sen.), J. Ditmar (Jun.), J. Dransfeld, J. B. Gerathen, J. E. C. Helbing, C. F. L. Hellwig, J. L. Hesse, Hering, S. Hering, Holstein, C. J. C. Klipfel, H. Koch, A. Kohn, C. F. Kolbe, J. S. Krämer, Krüger, F. Lauska, Chr. Menges (Mengis), Chr. Nichelmann, J. A. Patzig, Paasche, G. Poelchau, J. A. Ritz, G. Schlichting, J. G. Siebe, J. S. Possin, J. R. S. Prinz, J. G. Rhein, J. Ringk, J. G. Rist, Schober, Spangenberg, Thamm, G. W. Teschner, Weisse
Berlin (mit Hilfsnamen)
- Nach KastK: Anonymus 301, 302, 303, 304, 307
- Nach BlechschmidtK: Anon XV, J. S. Bach XIII, C. P. E. Bach III, C. P. E. Bach IV, C. P. E. Bach VI, J. G. Graun I, C. H. Graun IV, J. A. Hasse I, Neruda I, Schaffrath I, L. Leo II, Palestrina II, Theile I
- Nach ThulemeierK: Thulemeier XXXVI
- KobayashiK: Anonymus Itzig 9, Anonymus Itzig 11, Anonymus Itzig 12
- Nach GraunWV: Berlin7, 9, 11, 23, 31, 34, 46, 50 53, 55, 61, 64, 73, 77, 78, 79, 80, 82, 84
Weitere Städte und Regionen
- Mitteldeutschland (namentlich): J. A. Bach, J. Chr. Altnickol, J. C. Bach ("Hallischer Clavier-Bach"), H. Bach, J. C. Kittel
- Braunschweig: G. C. Schürmann
- Dresden: G. C. Balch, J. G. Grundig, G. Harrer, Haußstädtler, C. J. C. Klipfel, J. G. Kremmler, M. Schlettner, H. Oehm, J.Chr. Roellig
- Hamburg: J.H. Michel, A. C. Philippina Bach
- Meißen: G. Füllner, Heinrich, J. F. E. Otto, J. F. Stübner
- Heidelberg: A. J. F. Thiebaut
- Wien: R. G. Kiesewetter
- Rom: F. Santini
- Neapel: L. Marescalchi
Weitere zahlreiche Handschriften können lokalisiert und hinsichtlich ihrer Entstehungszeit zugeordnet werden. Neben Handschriften schlesischer Provenienz (Breslau, Heinrichau) treten zahlreiche Kopien aus Oberitalien und Frankreich. Kommen Kopisten ein zweites Mal vor, erhalten sie ein Sigel nach dem Schema "Anon. Sing-Akademie X". Derzeit (Stand September 2008) werden auf diese Weise ca. 500 anonyme Kopisten sowie weitere 150 bereits der Nomenklatur zugeordnete Schreiber verwaltet. Insgesamt lässt sich im Zusammenspiel dieser Methoden für die Mehrzahl der erfassten Quellen ein Provenienzgang bzw. eine geografische und zeitliche Zuordnung vornehmen.
Teilsammlungen
Vokalmusik
Im Ergebnis dieser Arbeiten können große Teile des Archivs der Sing-Akademie ehemaligen Sammlungen bzw. Überlieferungsträgern zugeordnet werden.
So kann beispielsweise gezeigt werden, dass viele der Musikalien, die noch auf die Bibliothek Sophie Charlottes und den Markgrafen Christian Ludwig zurückgehen, sowie viele der Prachtbände mit italienischer Kirchenmusik Zelter direkt aus der Bibliothek Friedrich Wilhelm III. bezogen hat [Kommentar: C. F. v. Ledebur berichtet in seinem Zelter-Artikel von einem Brief Zelters an den König vom 6. August 1806, in dem er darum bittet, „die werthvolle Musikaliensammlung Friedrich Wilhelm II., bestehend in Werken Händels, Leos, Palestrinas, Durantes etc. der Sing-Akademie zu schenken.“
Laut Ledebur (ebenfalls ein Mitglied der Sing-Akademie) wurde dieser Bitte am 16. August 1806 „huldreichst“ entsprochen (Ledebur 1861, S. 666)]. Insgesamt sind im Bereich der Vokalmusik über 600 Quellen durch Einträge, Possessorvermerke etc. mit der Person Zelters verbunden.
Teile des Repertoires an Kirchenmusik enthalten Aufführungsmaterialien, die vor allem für eine Rekonstruktion der Berliner Kirchenmusik im 18. Jahrhundert von Bedeutung sind. Folgenden Kantoren können Teile dieser Materialien zugeordnet werden:
- Rudolph Dietrich Buchholtz (Kantor an St. Petri von 1755-1778)
- Jakob Ditmar d. Ä. (Schwiegersohn von Hermann Koch, Kantor an St. Nicolai von 1697- 1728 sowie am Grauen Kloster) und dessen Sohn und Amtsnachfolger Jacob Ditmar (Kantor an St. Nicolai von 1726 - zunächst als Adjunkt - bis 1781)
- Hermann Koch (Kantor an St. Nicolai von 1668-1696)
- Johann Georg Lehmann (Organist an St. Nicolai von 1773-1816)
Instrumentalmusik
Unter den Musikalien im Bereich der Instrumentalmusik finden sich zahlreiche zusammenhängende Notenbestände, die auf Sammlungsaktivitäten von Berliner Kapellmusikern und Musikliebhabern zurückreichen. Von ihnen waren nicht wenige selber (oder ihre Erben) Mitglieder der Sing-Akademie. Zu nennen sind hier in erster Linie die Sammlungen von Sara Levy, Daniel und Benjamin Itzig sowie Zippora Wulff, Carl Jacob Christian Klipfel, Friedrich Nicolai, Georg Friedrich Schmidt, Paul Heinrich Bingert, J. E. C. Helbing und Johann Samuel Carl Possin. In der Summe dieser Quellenbestände und Teilsammlungen entsteht ein Panorama, das die Rezeptionshaltung der Musikliebhaber in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Berlin und Norddeutschland prägnant widerspiegelt.
Werküberlieferung
Neben vielen Hinweisen, die zur Erhellung musik- und rezeptionsgeschichtlicher Fragen von großem Wert sind, liefert der Bestand an Instrumentalmusik unschätzbare Beiträge zur Werküberlieferung einzelner Komponisten. Allein aus dem Å’uvre des Weimarer Hofkapellmeisters Ernst Wilhelm Wolff sind 31 Werke in diesem Teilbestand des Archivs überliefert, darunter einzigartige autographe Quellen zu einigen seiner Sinfonien - eine Tatsache, die angesichts der herben Verluste durch den Brand der Anna Amalia-Bibliothek 2004 um so schwerer wiegt. Eingedenk der quantitativen Verhältnisse innerhalb des Quellenbestandes liegt es wiederum nahe, dass die Zuwächse an Werken der Berliner Komponisten aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts besonders groß sind, darunter 18 Werke von C. H. Graun und J. G. Graun.
Die Werküberlieferung zweier Komponisten, die in diesem Zusammenhang gewöhnlich weniger im Rampenlicht stehen, Johann Gottlieb Janitsch und Christoph Schaffrath, gewinnt hierbei ebenfalls außerordentlich.
Im umfangreichen Bestand an Quadros von Janitsch aus dem Besitz von S. Levy, J. R. S. Printz und G. F. Tempelhoff sind 14 Werke singulär überliefert; überdies finden sich unter den weiteren Quellen zwei Autographe. Mit der Erschließung der Quellen des Archivs der Sing-Akademie wurde andererseits offenbar, dass Chr. Schaffrath unter den Hofmusikern in Berlin neben C. P. E. Bach und C. H. Graun einer der produktivsten Komponisten auf dem Gebiet des Cembalokonzertes war. Unter den Schaffrath-Quellen des Archivs finden sich viele vollständige autographe und teilautographe Handschriften mit Cembalokonzerten sowie Abschriften seiner Hauptkopisten.Viele dieser Werke sind ausschließlich hier überliefert und entstammen Schaffraths Nachlass. Sie repräsentieren das Gegenstück zu seinen über J. P. Kirnberger in der Amalienbibliothek überlieferten Sinfonien und Kammermusikwerken.
Die Sammlung von C. J. C. Klipfel
Die mutmaßlich größte und geschlossen überlieferte Teilsammlung des Archivs der Sing-Akademie kann mit der Musikaliensammlung des 1726 in Königstein in Sachsen geborenen und am 16. Mai 1802 in Berlin gestorbenen Carl Jakob Christian Klipfel identifiziert werden. Nähere Angaben zu Klipfels Biographie und den Entstehungsumständen seiner Musikalien lassen sich einem in der "Berlinischen Monatsschrift" 1802 veröffentlichten Nekrolog entnehmen. Berlinische Monatsschrift (1783-1811), hrsg. Von F. Gedike und J. E. Biester, 2, 1802, S. 135-149 Der Umfang der Sammlung Klipfel ist enorm und übertrifft selbst den der Sammlung von Sara Levy. Der Klipfel-Bestand umfasst allein im Bereich der Sinfonien, Ouverturen und Konzerte 333 Quellen. Bezieht man die aus seiner Sammlung überlieferten Abschriften mit Vokalmusik und die Kammermusik ein, dann darf der Gesamtumfang der Sammlung auf etwa 500-600 Quellen geschätzt werden. Eine der Besonderheiten dieser Teilsammlung des Archivs besteht darin, dass ein großer Teil dieser Quellen - überwiegend von Klipfels eigener Hand - bereits um die Jahrhundertmitte des 18. Jahrhunderts in Dresden und Meißen entstanden ist. Die Sammlung spiegelt in weiten Teilen eine lokale bürgerliche Musiziertradition in Meißen wider. Gleichrangige Bestände aus der Jahrhundertmitte außerhalb des Bereichs der Dresdner Hofkapelle sind in Dresden und Umgebung nicht bekannt.
Identifizierungen/Zuschreibungsfragen
Die detaillierte Quellenaufnahme innerhalb des Projektes gestattet es schließlich, dass für bislang ungeklärte Zuschreibungsfragen Lösungen aufgezeigt werden können. So kann mit Johann Christian Roellig (geb. 1716 in Berggießhübel / Sachsen) ein Musiker identifiziert werden, der bislang der Musikgeschichtsschreibung unbekannt war. Die im Archiv unter dem Namen "Roellig jun." überlieferten weit über einhundert Werke - teilweise Autographe und sämtlich über die Klipfel-Sammlung tradiert - stammen somit nicht, wie bislang gemutmaßt wurde, von Johann Georg Röllig, dem nachmaligen Zerbster Hofmusiker, sondern mit Johann Christian Roellig von seinem jüngeren Bruder.
[Literatur: Schwinger 2008, S. 16, Fn. 38. ]