Ostasien
Als 1941 die damalige Preußische Staatsbibliothek unter den Linden von einer Bombe getroffen wurde, begann man, nach und nach alle Bestände der Bibliothek in umliegende Gutshöfe, Bergwerke etc. außerhalb von Berlin auszulagern. Was als geordnetes Verfahren mit genau geführten Packlisten und Auslagerungskarteien begann, wurde unter dem Druck des Bombenkrieges zu einem hektischen Zusammenraffen der Bestände, um soviel wie möglich vor Feuer und Plünderung zu retten. Kurz vor Kriegsende traf eine Bombe das Herz des Gebäudes, den zentralen Kuppellesesaal, und zerstörte es zu 40 Prozent. Zu dieser Zeit war aber das Gros der Bestände bereits nicht mehr im Haus, sondern in Kisten verpackt und auf 30 Auslagerungsstätten westlich und östlich von Berlin verteilt.
Die Ostasiensammlung der damaligen Preußischen Staatsbibliothek umfasste 1943 rund 72.000 Bände und war in ihrer Zeit eine der bedeutendsten und umfangreichsten in der westlichen Welt. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts hatte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm erste chinesische Titel für seine 1661 für Gelehrte und Gäste geöffnete Bibliothek erworben; der 1683 von Probst Andreas Müller erstellte Einblattkatalog verzeichnete immerhin schon 25 größtenteils chinesische Titel. Im weiteren wuchs die Sammlung nur sporadisch und mit langen Anschaffungspausen, bis schließlich im 19. Jahrhundert der Zugang zu chinesischen und dann auch japanischen Titeln einfacher wurde. Durch die systematischen Erwerbungsreisen Karl Friedrich Neumanns Anfang des 19. und die Herbert Müllers Anfang des 20. Jahrhunderts nach China, sowie durch die Erwerbung der Sammlungen von Friedrich Wilhelm Karl Müller, Friedrich Hirth, Paul Georg von Moellendorff (mit vor allem mandschurischen Titeln) und Eugen Pander (tibetische Titel) wurde der Bestand zu einer hervorragenden Arbeitsbasis für China- und Ostasieninteressierte ausgebaut. Die letzte Akzessionsnummer im Bandkatalog der Libri sinici Neue Sammlung stammt aus dem Jahr 1939.
Nach Kriegsende gelangten nur ca. 24.000 Bände der Sammlung in die nun in der sowjetischen Besatzungszone liegende Bibliothek zurück, ein sehr kleiner Teil gelangte nach Marburg, wo die Staatsbibliotheksbestände aus den Auslagerungsstätten, die nun in den westlichen Besatzungszonen lagen, versammelt wurden.
Ein nicht geringer Teil der ostasiatischen Sammlung gilt als vernichtet oder verschollen. Nahezu ein Drittel der alten Ostasiensammlung lagerte mit rund 20.000 Bänden nach Kriegsende auf nunmehr polnischem Gebiet und wurde geschlossen nach Krakau in die große und bedeutende Biblioteka Jagiellonska gebracht, wo es heute einen Teil der "Berlinka" bildet. Die Sammlung ist dort geschlossen aufgestellt und wird professionell betreut. Sie ist über den Sonderlesesaal für Manuskripte zugänglich, wurde aber nicht erschlossen bzw. war bislang ohne Katalog.