
Das typographische Kulturerbe Deutschlands im Industriezeitalter – Ein Pilotvorhaben zur Massendigitalisierung historischer Schriftproben (1820–2000)
Projektziele
Reichtum und Vielfalt der typographischen Kultur im Deutschland des Industriezeitalters spiegeln nicht alleine die erhaltenen Holz-, Blei- und Kunststofflettern sowie die damit hergestellten Produkte, sondern auch die nur als Abdrucke überlieferten Schriften, wie sie tausendfach in Schriftproben zu finden sind. Solche ephemeren Musterbücher mit einem Umfang von einem Blatt bis zu aberhundert Seiten dienten Gießereien zur Bewerbung einzelner Schriften bzw. zur Vermarktung ihres gesamten Typenportfolios, was diese Gattung zu einer zentralen Quelle u.a. der Kunst-, Medien- und Buchgeschichte sowie gerade der textuellen Materialitätsforschung macht. Zudem bergen Schriftproben großes Potential sowohl für Digital Humanities und Computer Vision als auch für die Kreativwirtschaft, sind doch analog wie digital entworfene Fonts in der Regel von historischen Vorlagen abgeleitet.
Um dem vom Material Turn der Geistes- und Kulturwissenschaften befeuerten Forschungsinteresse an Typographie ein repräsentatives Quellenfundament im Open Access zu schaffen und Druckschriften als wichtiges Zeugnis der Industriekultur zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen, verfolgt dieses Vorhaben drei Ziele: Erstens geht es um die Digitalisierung und dauerhafte Zugänglichmachung der nach dem Ende der Handpressenzeit im deutschen Sprachraum erschienenen Schriftproben aus den nach Umfang wie Qualität herausragenden und einander komplementierenden Sammlungen der Deutschen Nationalbibliothek, Staatsbibliothek zu Berlin und Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin in einem Volumen von 6.350 Objekten. Damit soll Forschenden ein Perspektivwechsel ermöglicht werden – von der Betrachtung nur der Schriften in Büchern und anderen Druckobjekten hin zum gesamten Typenrepertoire einer Zeit. Zweitens ist die Konzeption eines wissenschaftlichen Klassifikationsschemas für Werknormdaten für Druckschriften geplant sowie dessen Anwendung zur tieferen Erschließung des Projektkorpus. Konkret beinhaltet dies die Revision der schon in der GND vorhandenen typographischen Normdaten sowie die Ansetzung von mindestens 300 Neuaufnahmen. Drittens sollen ausgewählte Schriftproben transkribiert und als frei nachnutzbares Trainingsmaterial (Ground Truth) zur Verbesserung der automatischen Text- und Schrifterkennung (OCR) verwendet werden.
Jenseits des hier beantragten Vorhabens ist an seine Erträge perspektivisch die Erwartung geknüpft, die Grundlage für einen spartenübergreifenden digitalen Zugang zum typographischen Kulturerbe Deutschlands nach Muster der DDB-Subportale zu schaffen – unter Integration von Citizen Science-Elementen. Denn aufgrund seines schieren Umfangs und seiner verstreuten Überlieferung in privaten Schriftprobensammlungen wird die systematische Dokumentation, Digitalisierung und Erschließung des nationalen Kulturerbes an Druckschriften nur kollaborativ zu leisten sein. Die Realisierung dieses Zukunftsszenarios streben die Antragsteller mittelfristig im Wege eines gemeinsamen Folgeprojekts an.
Projektlaufzeit
2025 – 2028
Projektpartner
Deutsche Nationalbibliothek, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin
Drittmittelgeber
Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projektnummer: 558042196)
Kontakt
Dr. Christian Mathieu
Generaldirektion
Tel.: +49 30 266 433 240
christian.mathieu@sbb.spk-berlin.de