Die Sichtbarmachung des Sichtbaren – Berlins typografisches Kulturerbe im Open Access


Ein gemeinsames Projekt von Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin (SDTB), Erik Spiekermann Foundation gGmbH (ESF), Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin (KB) und Staatsbibliothek zu Berlin (SBB) im Rahmen des digiS-Förderprogramms Digitalisierung 2021

In Reaktion auf das Paradox, dass Druckschriften gerade in ihrer lebensweltlichen Omnipräsenz allzu häufig übersehen werden und in ihrer scheinbaren Selbstverständlichkeit nicht selten unsichtbar bleiben, möchte das Gemeinschaftsvorhaben am Beispiel Berlins einen multiperspektivischen Beitrag dazu leisten, Typografie zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen.

Konkretes Ziel des spartenübergreifenden Gemeinschaftsprojekts der vier beteiligten Einrichtungen ist es, einen für Wissenschaft, Kreativwirtschaft und Öffentlichkeit gleichermaßen relevanten Beitrag zu Erhalt, Zugänglichkeit und Visibilität des so reichen typografischen Kulturerbes Berlins in seiner materialen wie visuellen Vielfalt zu leisten. Zu diesem Zweck sollen zum einen die insgesamt knapp 400 Werke umfassenden Bestände von SDTB, KB und SBB an gemeinfreien Schriftproben Berliner Gießereien für den Akzidenz-und Buchdruck aus der Zeit vor 1951 erschlossen und digitalisiert werden. Solche Musterbücher mit einem Umfang von wenigen Blättern bis zu vielen hundert Seiten dienten Gießereiunternehmen wie Druckereien – ob mit eigener Hausgießerei oder ohne – zur internationalen Vermarktung ihres jeweiligen Angebots an Schriften, Zeichen und Zierelementen. Da zahlreiche Berliner Gießereien – allen voran die im Zentrum des Projekts stehende Kreuzberger H. Berthold AG – gezielt konkurrierende heimische wie auswärtige Betriebe akquirierten, um sich so Zugriff auf deren gestalterisches bzw. technisches Knowhow zu verschaffen, sollen in diesem Zusammenhang auch Schriftproben ursprünglich unabhängiger Unternehmen aus Leipzig, Stuttgart und Wien einbezogen werden.

Zum anderen geht es dem Vorhaben darum, eine Auswahl nicht mehr urheberrechtsbewehrter Holz-, Kunststoff- und vor allem Bleilettern Berliner Gießereien aus der Sammlung der ESF in mehreren Versionen, Schriftschnitten und -graden vom Papierandruck zu digitalisieren. Im Wesentlichen beinhaltet dieses von der ESF zu verantwortende Arbeitspaket die fünf erfolgreichsten Schriftfamilien der weltweit operierenden H. Berthold AG – Akzidenz-Grotesk, Berliner Grotesk, Block, Lo-Schrift und Fanfare – in insgesamt 120 Schnitten. Da die 90 bis 120 Zeichen eines Schriftsatzes (einschließlich u.a. von Ziffern und Sonderzeichen) in ihren verschiedenen Größen und Stärken jeweils voneinander abweichend geschnitten sind, muss dazu jeder einzelne Schriftgrad gesetzt, angedruckt und digitalisiert werden. Unter Berücksichtigung nicht nur der produktionsbedingten Unterschiede zwischen den wichtigsten Varianten der ausgewählten Drucktypen, sondern auch durch deren Vergleich mit den in den Musterbüchern publizierten Schriftentwürfen versteht sich das Vorhaben daher also zugleich als Impuls, das Methodeninstrumentarium der rasant expandierenden Material Culture Studies für typografiehistorische Forschungsdesigns zu erproben.

Um das auf größere gesellschaftliche Aufmerksamkeit für typografische (Industrie)Kultur ausgerichtete Kernanliegen des Vorhabens möglichst wirkungsvoll zu befördern, werden alle im Projektkontext erzeugten Digitalisate sowie die diese beschreibenden Metadaten unter freien Lizenzen im Open Access zugänglich gemacht – sowohl separat auf den Präsentationsplattformen und Online-Auftritten der beteiligten Einrichtungen als auch integriert im Kontext der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) sowie anderer Aggregatorportale wie der Europeana.

Als weitere Maßnahme zur Erreichung des übergreifenden Projektziels ist drittens beabsichtigt, die erwähnten, für die Entwicklung der typografischen Kultur Berlins repräsentativen Drucksatzschriften Akzidenz-Grotesk, Berliner Grotesk, Block, Lo-Schrift und Fanfare in ausgewählten Schnitten und Graden nicht nur als hochauflösendes Bild zu reproduzieren, sondern durch Nachzeichnung der Buchstaben darüber hinaus für den Einsatz als Computerfonts zu digitalisieren. Auch diese für die Einbindung in beliebige Textverarbeitungsprogramme geeigneten Fontdateien werden ebenfalls der Öffentlichkeit unter Open Content-Lizenzen zur freien Nachnutzung und kreativen Weiterentwicklung zur Verfügung gestellt – u.a. via GitHub.

Die skizzierten Aktivitäten sollen viertens schließlich in unterschiedlichen Formaten zur zielgruppenspezifischen Vermittlung der erzeugten Digitalisate und Computerfonts münden – namentlich in Gestalt von Ausstellungen, Vorträgen, Druckworkshops, Hackathons, Open Educational Resources und Crowdsourcing-Veranstaltungen zur Identifikation unbekannter Berliner Schriftproben in privaten Sammlungen.

Projektpublikationen:

Bestandsübersichten:

Projektergebnisse:


Kontakt:
Dr. Christian Mathieu
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Wissenschaftliche Dienste
Potsdamer Straße 33
D-10785 Berlin
Tel.: +49 (0)30 / 266 433 240
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