16. Jahrhundert
Das 16. Jahrhundert war eine Zeit des Aufbruchs aus dem Mittelalter in die Neuzeit, geprägt von historischen und sozialen Umwälzungen, aber zugleich auch von einer Aufbruchstimmung in allen Wissenschaften und Künsten, die sich nicht zuletzt in Erfindungen und geographischen Entdeckungen niederschlug. An den Universitäten traten neue Lehrinhalte und Lehrmethoden an die Stelle der alten. Gleichzeitig führte ein neues Geschichtsbewusstsein zu ersten Ansätzen einer modernen Quellenkritik. Von den religiösen Bewegungen der Reformation und der auf sie reagierenden Gegenreformation gingen entscheidende Impulse auf alle Bereiche aus.
Obwohl sich im 16. Jahrhundert die Nationalstaaten herauszubilden begannen, hatte das geistige Europa durch die verbindende lateinische Sprache noch eine gemeinsame Grundlage. Allerdings gewannen die Volkssprachen an Bedeutung, in Deutschland gefördert durch Luthers Bibelübertragungen. Übersetzungen, insbesondere aus dem Lateinischen in die Volkssprachen, haben im 16. Jahrhundert immer neben dem rezeptionshistorischen auch einen linguistischen Aspekt. Zu den populären Schriften, deren Produktion stark zunahm, gehörten neben Volksbüchern oder Kalendern auch Bücher mit geistlichen und weltlichen Liedern. Diese Art von Literatur wurde schnell verbraucht und ist heute nur noch selten erhalten.
Der Buchdruck setzte sich im 16. Jahrhundert endgültig zur Verbreitung von Schrifttum aller Art durch. In den Drucken spiegeln sich alle geistigen Strömungen und Zeitereignisse wider. Die neuen Illustrationsverfahren (Holzschnitt, Kupferstich) waren Voraussetzung für die Dokumentation und Verbreitung naturwissenschaftlicher und technischer Forschungsergebnisse. Äußerlich nahm das Buch des 16. Jahrhunderts, v. a. durch die Gestaltung eines Titelblattes, die gebräuchliche moderne Form an. Wenn es einerseits zu großartigen Leistungen in der Buchproduktion kam, so führten andererseits die ersten Ansätze zu einer Massenproduktion zu Einbußen bei der Druckqualität.
Neben den Drucker, der anfangs Handwerker, Verleger und in seinen hervorragenden Vertretern auch humanistisch gebildeter Wissenschaftler in einer Person war, trat immer mehr der "Nur-Verleger", der für den Vertrieb sorgte.
Wissenschaftshistorische Schwerpunkte
Die Staatsbibliothek zu Berlin selbst existierte zu dieser Zeit noch nicht, hat aber im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte der damaligen Entwicklung durch ihre späteren Erwerbungen immer Rechnung getragen. Wie angesichts ihrer geographischen Lage nicht anders zu erwarten, wurde die Literatur zur Reformation in allen ihren Dimensionen (theologisch, historisch, literarisch) besonders intensiv gesammelt. Heute muss vor allem die einmal vorhandene und fast völlig vernichtete Sammlung zeitgenössischer Lutherdrucke ("Luthersammlung") rekonstruiert werden. Des weiteren liegen Schwerpunkte bei der Erwerbung von Literatur der Reformation allgemein, von Literatur zu den sozialkritischen Bewegungen der Zeit (z. B. Bauernkrieg, Wiedertäufer) und von Schriften der für die Zeit wichtigen Universitäten des mittel-, ost- und norddeutschen Raumes (z. B. Wittenberg, Frankfurt/Oder). Die Literatur der Gegenreformation wird in ihren wichtigen Zeugnissen erworben, besonders, wenn die Werke enge Bezüge zur Literatur der Reformation bzw. einzelner Reformatoren haben. Eine hervorzuhebende Rolle spielen Editionen von im 16. Jahrhundert neu aufgefundenen Texten aus Altertum und Mittelalter, insbesondere aber auch Werke der aufstrebenden Naturwissenschaften und der Technik.
Buch- und druckhistorische Aspekte
Unter buchhistorischem Aspekt ist das intensive Sammeln von Veröffentlichungen aus bestimmten Druckorten für das 16. Jahrhundert von größerer Bedeutung als für die nachfolgenden Zeiträume. Natürlich wird, wie in allen Jahrhunderten, Brandenburg, Ostpreußen und Schlesien möglichst vollständig gesammelt. Da die Literatur der Reformation überwiegend im heutigen Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen gedruckt wurde, wird den Offizinen dieser Regionen, ihrer Typographie und Buchillustration insgesamt, ebenfalls große Aufmerksamkeit zugewandt. Hinzu kommt als Besonderheit die Produktion kleinerer Druckorte und Offizinen, die meist nicht so leistungsstark waren, was sich auf die Auflagenhöhe und Verbreitung auswirkte. Genannt seien als Beispiel nur Görlitz, Eisleben, Torgau. Die ausländischen Drucke werden anhand beispielhafter Erzeugnisse der bedeutendsten Druckereien gesammelt, an denen die Entwicklung der Typographie in Europa dokumentiert werden kann. Dazu gehören vorzugsweise die Drucke im Anschluss an den Inkunabelzeitraum, die die Kontinuität einer Werkstatt im Typenvergleich aufzeigen können. Neben den Drucken aus Paris und Lyon wird zum Beispiel der Firma Elzevier in Leiden und Amsterdam besondere Bedeutung beigemessen. Vollständig werden die Drucke der Offizin des Aldus Manutius in Venedig gesammelt. Diese ergänzen die Elzevier- und Aldinen-Sammlung der Staatsbibliothek.
Auch Werke mit Buchillustrationen bedeutender Kunstschaffender, wie Albrecht Dürer, Lucas Cranach, Hans Holbein, Jost Amman, Virgil Solis oder Urs Graf, müssen in der Staatsbibliothek wieder repräsentativ vertreten sein.
Besondere Schrifttumsgattungen
Als typische Buchgattungen des 16. Jahrhunderts werden bei der Bestandsergänzung Architekturbücher, Flugschriften, Kalender, Kräuterbücher, Personalschriften, Schulgrammatiken, weltliche und geistliche Lieder und Volksbücher berücksichtigt, die zum Teil bereits bedeutende Sammlungen in der Staatsbibliothek zu Berlin bilden. Auch hier sind inhaltlicher und buchhistorischer Aspekt eng verknüpft, da sich viele deutsche und ausländische Druckereien/Verlage auf die Produktion bestimmter Buchgattungen spezialisiert hatten (z.B. illustrierte Werke) und ihre Erzeugnisse somit unter beiden Aspekten von Interesse sind.