Sammlung amtlicher Publikationen
Die Staatsbibliothek zu Berlin erwirbt amtliche Publikationen des In- und Auslandes im Rahmen eines Sammelschwerpunkts und ist Depositarbibliothek für Veröffentlichungen internationaler Organisationen. Die Amtsdruckschriftensammlung wurde bereits in der Königlichen Bibliothek angelegt und 1956-2004 innerhalb einer eigenen Sonderabteilung für Amtsdruckschriften gepflegt.
Kennzeichnend für amtliche Publikationen ist der öffentlich-rechtliche Status ihrer körperschaftlichen Herausgeber bzw. Auftraggeber. Dahinter verbirgt sich eine Vielzahl periodischer und monographischer Publikationen zu den verschiedensten Themen. Zu den spezifischen Domänen staatlicher Tätigkeit zählen: Gesetzgebung und Rechtsprechung, Demographie und soziale Fürsorge, Gesundheitswesen und Medizin, Ernährung und Landwirtschaft, Raumplanung und Energieversorgung, Handelsbeziehungen und Geldwesen, Verkehr und Transportwesen, Industrie und Technologie, Forschung und Wissenschaft, Bildungswesen und Kultur. Mit ihrem breiten inhaltlichen Spektrum fungieren die Dokumente als wichtige Primärquellen. Bei den Publikationen staatlicher Forschungseinrichtungen handelt es sich überwiegend um grundlegende wissenschaftliche Sekundärliteratur.
Der Aufbau der Sammlung amtlicher Publikationen ist gegenwärtig von drei Tendenzen geprägt, die alternative Ansätze für das Erwerben, Verzeichnen und Archivieren der Dokumente erfordern: Zum einen werden die Herausgeber amtlicher Publikationen zunehmend privatisiert, zum anderen nimmt das Angebot von Publikumsschriften mit geringem Informationswert für die Wissenschaft zu. Die schwerwiegendsten Auswirkungen hat jedoch der Paradigmenwechsel von der konventionellen Veröffentlichung zur Präsenz im Internet auf die Sammeltätigkeit. Die Netzpräsenz öffentlicher Einrichtungen und internationaler Organisation wächst, während die Produktion von Druckschriften zurückgeht. Die Staatsbibliothek zu Berlin nimmt amtliche Publikationen, die ausschließlich im Internet veröffentlicht werden, gemäß den Erwerbungsrichtlinien in strenger Auswahl durch Verlinkung in den Katalog auf. Bei Parallelpublikationen (gedruckt und online) kann die Staatsbibliothek zu Berlin auf die Anforderung der Papierausgabe verzichten, wenn der Herausgeber die Dokumente verlässlich zur Verfügung stellt. Dies gilt generell für Einrichtungen auf nationaler Ebene.
Deutsche amtliche Publikationen
Die Staatsbibliothek zu Berlin ist eine der vier nationalen Sammelstellen für deutsche Amtsdruckschriften- neben der Deutschen Nationalbibliothek, der Bayerischen Staatsbibliothek und der Bibliothek des deutschen Bundestags. Der Umfang der Sammeltätigkeit ergibt sich aus den geltenden Abgabeerlassen des Bundes und der Länder. Als amtliche Publikationen gelten alle Veröffentlichungen, die von den in den Erlassen genannten Institutionen herausgegeben werden oder in ihrem Auftrag erscheinen. Solche Institutionen sind: Behörden und Dienststellen des Bundes und der Länder sowie bundesunmittelbare bzw. der Aufsicht eines Landes unterstehende Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts einschließlich der Kirchen und anderer öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften. Unabhängig von der jeweiligen Rechtsform rechnet die Staatsbibliothek zu Berlin auch die Spitzenverbände staatlicher Institutionen zu den zur Abgabe verpflichteten Institutionen. Bestimmte Materialien sind von der Ablieferung ausgenommen. Für die Abgabe als Freiexemplar spielt es keine Rolle, ob die betreffende Publikation einen amtlichen oder nicht-amtlichen Inhalt hat und ob sie von der herausgebenden Stelle selbst vervielfältigt und verbreitet wird oder in einem kommerziellen Verlag erscheint. Die Staatsbibliothek zu Berlin kann auch nicht-amtliche Veröffentlichungen erbitten, wenn diese mit Bundesmitteln gefördert oder ermöglicht worden sind. Für die nur der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts einschließlich der Landkreise und Gemeinden haben die Erlasse in der Regel den Charakter von Empfehlungen. Der Deutsche Städtetag hat 1960 seinen Mitgliedstädten empfohlen, den Bundeserlass von 1958 analog anzuwenden.
Breite Auswahl
Angestrebt wird eine möglichst breite Sammlung deutscher amtlicher Publikationen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene. Es gibt jedoch Abstufungen unter Berücksichtigung der fachlichen Erwerbungsprofile.
Die Sammelintensität orientiert sich an der staatlichen Hierarchie:
- Bund: höchste Priorität
- Länder: hohe Priorität
- Landkreise und Gemeinden: mittlere Priorität mit Schwerpunkt auf den kreisfreien Großstädten
- Selbstverwaltungskörperschaften: mittlere bis untere Priorität
- Kirchen/Religionsgemeinschaften: mittlere bis untere Priorität, beschränkt auf die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit ihren Gliedkirchen (Landeskirchen) und den Zusammenschlüssen innerhalb der EKD, die römisch-katholische Kirche, d.h. die Bistümer und ihre Zusammenschlüsse bzw. gemeinsamen Vertretungen (insbes. Deutsche Bischofskonferenz), sowie die Jüdischen Gemeinden.
Differenzierte Auswahl
Publikationen der Körperschaften der:
- unteren Verwaltungsebenen bzw. -stellen wie Arbeitsämter, Finanzämter, Bundeswehreinheiten unterhalb der Divisionsebene
- Gemeinden unter 75.000 Einwohnern und deren Einrichtungen
- Kirchlichen Einrichtungen unterhalb der Bistums- bzw. landeskirchlichen Ebene
sind in der Regel ausgeklammert. Haben sie jedoch wissenschaftlichen Charakter, finden die allgemeinen Grundsätze des Bestandsaufbaus der Staatsbibliothek zu Berlin mit ihren fachlich differenzierten Sammlungsintensitäten Anwendung.
Strenge Auswahl
- Schriften zur Öffentlichkeitsarbeit, institutionelle Selbstdarstellungen werbenden Charakters (abhängig von Umfang und Aufmachung)
- Richtlinien und Merkblätter
- Haushaltspläne (vornehmlich von Bund und Ländern und bedeutenden Großstädten)
- Loseblattausgaben: in Abhängigkeit der fachlichen Relevanz
Verzicht
- Faltblätter und Faltblattreihen, Plakate, Kalender
- audiovisuelle Medien
- Adressenverzeichnisse
- Fort- und Weiterbildungsprogramme, Veranstaltungsprogramme, Theater-, Opern-, Konzertprogramme/hefte
- Pressedienste/-mitteilungen, Pressespiegel
- Fremdenverkehrsinformationen
- Ausschreibungsblätter
- Geschäftsberichte von (öffentlich-rechtlichen) Banken und Sparkassen unterhalb der Bundes- und Landesebene
- Publikumszeitschriften werbenden Charakters
- Ratgeber, Tipps, Wegweiser für einzelne Zielgruppen u.ä.
Amtliche Publikationen des Auslands
1956 wurde die „Tauschstelle für den internationalen amtlichen Schriftentausch“ bei der Staatsbibliothek zu Berlin (damals Westdeutschen Bibliothek) eingerichtet. Bis heute ist die Staatsbibliothek zu Berlin für die Anwendung des von der Bundesrepublik Deutschland 1969 ratifizierten UNESCO-Übereinkommens von 1958 über den zwischenstaatlichen Austausch amtlicher Veröffentlichungen und Regierungsdokumente verantwortlich. Tauschbeziehungenbestehen zur Zeit mit über 30 Staaten, davon mit einigen Ländern auf der Basis von Regierungsabkommen (z.B. Frankreich, Großbritannien, Israel, Kanada, USA), mit den übrigen auf der Grundlage formloser Vereinbarungen oder Verwaltungsabkommen mit den betreffenden Tauschzentralen, häufig den Nationalbibliotheken. Für die Bereitstellung der deutschen Tauschgaben gibt es entsprechende Abgaberegelungen des Bundes und der meisten Bundesländer.
Umfang und Inhalt der eingehenden ausländischen Materialien werden durch die Abgabemöglichkeiten des jeweiligen Tauschpartners bestimmt. Im Vordergrund stehen Parlamentsschriften, Gesetz- und Verordnungsblätter, Statistiken und andere Veröffentlichungen der Ministerien und zentraler staatlicher Einrichtungen. Aus den USA, Kanada und Japan erhält die Staatsbibliothek zu Berlin den „Full set“, d.h. eine von dem jeweiligen Land zusammengestellte und im Umfang sehr große Titelmenge. Hauptsächlich werden laufende Titel (Zeitschriften und Serien) getauscht; dabei handelt es sich in der Regel um Printmedien (Papierausgaben und Mikroformen), zunehmend auch Texte auf Datenträgern. Durch veränderte Publikationsmöglichkeiten wird zunehmend der Zugriff auf die Online-Version gewährt, so dass Publikationen nicht mehr in gedruckter Form getauscht werden.
Amtliche Publikationen, die nicht im Tausch erhältlich sind, die aber für die Sammlungen der Bibliothek von besonderer Bedeutung sind, werden soweit möglich käuflich erworben; der Schwerpunkt liegt hier auf dem europäischen Raum. Dies gilt für solche Veröffentlichungen, die für die staatliche Publikationstätigkeit repräsentativ sind, insbesondere: Gesetz- und Verordnungsblätter, Parlamentaria, Staatshandbücher sowie amtliche Statistiken.
Veröffentlichungen Internationaler Organisationen
Grundstock der Sammlung von Veröffentlichungen internationaler bzw. zwischenstaatlicher Organisationen ist das seit 1956 existierende UN-Depot („partial set“). Seit 1963 ist die Staatsbibliothek Depositarbibliothek der Europäischen Gemeinschaften, der heutigen Europäischen Union (EU). Das Interesse richtet sich dabei auf die globalen, aber auch regionalen Institutionen, die weltweit bedeutenden politischen, wirtschaftlichen oder sozial-kulturellen Stellenwert haben. Die Staatsbibliothek verpflichtet sich damit zum langfristigen Nachweis und zur Zugänglichkeit dieser Materialien für die interessierte Öffentlichkeit.
Die Staatsbibliothek zu Berlin erhält die Veröffentlichungen von über 20 internationalen Organisationen in der Funktion einer Depository Library oder auf Grund freier Lieferungsvereinbarungen. Der Depotstatus sichert nicht die reguläre Abgabe aller Veröffentlichungen der betreffenden Organisationen. Der Umfang des abzugebenden Materials ist wenig präzise formuliert, wodurch Zufälligkeiten der gelieferten Titel nicht auszuschließen sind. Abgesehen von der an sich vereinbarten „automatischen“ Abgabe sind etliche Publikationen nur auf Anfrage erhältlich.
Der Schwerpunkt liegt bei der EU und bei der UNO, zusammen mit den wichtigsten UN-Sonderorganisationen wie UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization), Weltbank, WHO (World Health Organization), FAO (Food and Agriculture Organization) und ILO (International Labour Organization). Wichtig sind auch die Veröffentlichungen der OECD (Organization for Economic Co-operation and Development). Unter den Regionalorganisationen sind vertreten: der Europarat, die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) und die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank (IDB).
Die Publikationstätigkeit der zwischenstaatlichen und internationalen Organisationen wird mit großer Vollständigkeit dokumentiert. Veröffentlichungen, die trotz Depotstatus oder ähnlicher Vereinbarungen nicht kostenlos erhältlich sind, werden ggf. durch Kauf erworben. Die Sammlung wird in Auswahl durch die Erwerbung von Sekundärpublikationen ergänzt. Online-Dokumente werden in der Regel nicht einzeln nachgewiesen, sondern eine Verlinkung auf Portale der Herausgeber hergestellt. Publikationssprachen sind vorgegeben durch die Amtssprachen, in der die Herausgeber publizieren. Bei Auswahlmöglichkeit werden die Veröffentlichungen in Deutsch bezogen (gilt nur für die EU), sonst in Englisch.
Parlamentaria
Auf die Parlamentaria trifft in besonderem Maße der einleitend genannte Paradigmenwechsel von gedrucktem zu online verfügbarem Material zu: Im Rahmen des E-Government verpflichten sich staatliche Institutionen zur besseren Informationsversorgung der Bürger durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien. Für die Sammlung der Parlamentaria an der Staatsbibliothek zu Berlin ist dies mit einem rückläufigen Bestandsaufbau auf konventionellem Wege verbunden.
Die laufenden ausländischen Parlamentaria werden nach Möglichkeit im Rahmen des internationalen amtlichen Schriftentauschs erworben, in allen anderen Fällen in der Regel gekauft oder ggf. auf ein verlässliches Portal der Regierung verlinkt. Im Vordergrund stehen dabei Sitzungsberichte, Drucksachen, Handbücher u.ä., darüber hinaus - soweit verfügbar - weitere periodische und monographische Parlamentsveröffentlichungen.
In der Regel erhält die Staatsbibliothek zu Berlin die deutschen Parlamentsschriften des Bundesrates und Bundestages sowie der Landesparlamente als Freiexemplare. Dazu gehören neben den Plenarprotokollen, Drucksachen und amtlichen Handbüchern auch Periodika über die Aktivitäten des Parlaments, Schriftenreihen über Parlamentsgeschichte, Festschriften und andere Einzelpublikationen. Veröffentlichungen entsprechender Organe auf regionaler und kommunaler Ebene (z.B. Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen) werden nicht als Parlamentaria gesammelt.