Amtliche Publikationen
Internationaler Amtlicher Schriftentausch
Eine weitere zentrale Aufgabe der Staatsbibliothek zu Berlin war und ist ihre Funktion als nationale Zentrale für den internationalen amtlichen Schriftentausch, die sie aufgrund des UNESCO-Übereinkommens von 1958 über den zwischenstaatlichen Austausch amtlicher Veröffentlichungen und Regierungsdokumente wahrnimmt.
Zugang zu Amtlichen Publikationen des Auslands durch Tauschvereinbarungen
Internationale Tauschvereinbarungen dienen vor allem dazu, den Zugang zu amtlichen Materialien des Auslandes zu erleichtern. Die Grundidee ist, dass jedes beteiligte Land amtliche Materialien von seinem Tauschpartner erhält, um es den inländischen Benutzern direkt zur Verfügung zu stellen. In Deutschland übernimmt die Staatsbibliothek zu Berlin die Funktion der nationalen Tauschzentrale. Wichtigste Grundlage des amtlichen Schriftentauschs ist das „Übereinkommen über den zwischenstaatlichen Austausch von amtlichen Veröffentlichungen und Regierungsdokumenten", das die Generalkonferenz der UNESCO am 3. Dezember 1958 in Paris verabschiedet hat. Die Bundesrepublik Deutschland ratifizierte die Konvention erst im Jahre 1969. Die Staatsbibliothek zu Berlin ist für die Anwendung dieses Übereinkommens in Deutschland zuständig. Für die benötigten Tauschgaben gibt es einen Erlass der Bundesregierung vom Juli 1958; in den Erlassen der Länder wurde in den meisten Fällen eine entsprechende Abgaberegelung aufgenommen.
Was wird getauscht?
Die UNESCO-Konvention enthält u.a. eine Aufzählung von als typisch anzusehenden Arten amtlicher Publikationen, nämlich: Amtsblätter, Dokumente, Berichte und Jahrbücher der Parlamente und sonstige Texte gesetzgebender Körperschaften, Veröffentlichungen und Berichte zentraler, föderativer oder regionaler Staatsbehörden aus dem Bereich der Verwaltung, nationale Bibliographien, amtliche Handbücher, Gesetzessammlungen, Gerichtsentscheidungen und andere Veröffentlichungen, deren Austausch vereinbart wird. Voraussetzung ist jedoch in allen Fällen, dass die betreffenden Publikationen im Auftrag und auf Kosten einer innerstaatlichen Behörde herausgegeben werden.
Wie wird getauscht?
Die Tauschbeziehungen werden zwischen zwei Staaten geschlossen, wobei man zwischen formalen Regierungsabkommen, die normalerweise durch Notenwechsel abgeschlossen werden, und formlosen Vereinbarungen oder Verwaltungsabkommen zwischen den für den Tausch zuständigen Stellen unterscheidet. Die Staatsbibliothek zu Berlin unterhält zurzeit mit 34 Staaten Tauschbeziehungen.
In der Regel erfolgt die Auswahl der zu tauschenden Amtlichen Publikationen auf der Grundlage von Listen. Die deutsche Tauschliste umfasst derzeit etwa 700 laufende Titel von Bundes- und Landesbehörden. Die im Tausch gelieferten Amtlichen Publikationen werden in der Regel nicht an andere deutsche Stellen weitergegeben, sondern in der Staatsbibliothek zu Berlin gesammelt und der Benutzung vor Ort und im Leihverkehr uneingeschränkt zur Verfügung gestellt. Umfang und Inhalt der eingehenden ausländischen Materialien werden durch die realen Abgabemöglichkeiten des jeweiligen Tauschpartners bestimmt. Im Vordergrund stehen Parlamentsschriften, Gesetzesblätter, Statistiken und andere Veröffentlichungen der Ministerien und zentraler staatlicher Einrichtungen.
Aus den USA, Kanada und Japan erhält die Staatsbibliothek zu Berlin einen Full Set, d.h. eine von dem jeweiligen Land zusammengestellte große Titelmenge. Für Kanada hat die Staatsbibliothek zu Berlin den Status einer Full Depository Library. Die US-amerikanischen Amtlichen Publikationen (nur der Bundesregierung und des U.S. Congress) wurden seit 1982 in Form von Mikrofiches geliefert; wegen ihres Umfangs wurde diese Sammlung nur unzureichend katalogisiert, sie steht jedoch der Benutzung uneingeschränkt zur Verfügung. Heute sind die Informationen großenteils über Datenbanken zugänglich.
Geschichte des Internationalen Amtlichen Schriftentauschs
Bereits 1886 sollte die Brüsseler “Convention for the International Exchange of Official Documents, Scientific and Literary Publications†den amtlichen Schriftentausch regeln. Wirklich in Gang kam der Schriftentausch jedoch erst durch die Konvention der UNESCO aus dem Jahr 1958, da sich ihre Vorgängerin als unzulänglich erwiesen hatte.
Die Tradition des amtlichen Schriftentauschs geht in der Staatsbibliothek zu Berlin bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Bereits in den 1870er Jahren begannen die ersten Tauschbeziehungen mit den USA, im Jahr 1926 richtete man in der Preußischen Staatsbibliothek die Reichstauschstelle (1926-1945) ein. Sie kann als organisatorische Vorgängerin der heutigen Zentrale für den Internationalen Amtlichen Schriftentausch angesehen werden und war von 1934 bis 1941 verwaltungsmäßig der Preußischen Staatsbibliothek angegliedert. Die Funktion und Arbeitsweise der Reichstauschstelle im Zusammenhang mit den Mechanismen des systematischen Bücherraubs in der NS-Zeit ist Gegenstand eines Forschungsprojekts in der Staatsbibliothek zu Berlin
In der Zeit des geteilten Deutschland bis 1990 nahm die Deutsche Staatsbibliothek für die DDR ebenfalls zentrale Aufgaben des Schriftentauschs wahr. Durch die Möglichkeit des elektronischen Publizierens und des E-Government wird der Schriftentausch heute zunehmend in eine Kooperation überführt, um die jeweiligen Datenbanken für Regierungsdokumente gegenseitig zugänglich zu machen und dazu Schulungen und Informationsmaterialien anzubieten.