Musik

Der Nachlass von Alfred Bortz

Alfred Bortz wurde am 12. September 1882 in Berlin geboren und zeigte bereits in jungen Jahren eine außergewöhnliche Begabung im freien Klavierspiel. Systematischen  Musikunterricht erhielt er jedoch erst ab dem 17. Lebensjahr.
Nach Abschluss der Schule studierte er am Veit’schen Konservatorium in Berlin Klavier sowie Theorie und Komposition; Prof. Friedrich E. Koch wurde ihm dabei Vorbild für eine solide Satztechnik und eine künstlerische Ehrlichkeit. Weitere Studien an der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin-Charlottenburg folgten und ermöglichten Bortz, sein Leben künftig ganz in den Dienst der Musik zu stellen, als Pianist, Pädagoge und Komponist.
Mit dem Lied „Lebe wohl“ auf einen Text von Ludwig Uhland gewann Bortz noch während des Studiums ein Preisausschreiben der Zeitschrift „Die Woche“, die das Lied 1903 in dem Sammelband „Im Volkston“ veröffentlichte.

In den folgenden Jahren entstanden vor allem lyrische Klavierstücke und zahlreiche Lieder, in denen Bortz die Stimmung der Texte mit den ihm eigenen Empfindungen wiederzugeben versuchte. 1911 wurde der Musikverlag Simrock auf seine Kompositionen aufmerksam und veröffentlichte bis ins Jahr 1919 gleich eine ganze Reihe solcher kleineren Werke. Mit der ebenfalls von Simrock publizierten „Sinfonietta Pastorale“ schuf Bortz 1913 sein erstes größeres Orchesterwerk, das Publikum wie Kritiker begeisterte: „Es tut einem wohl in unserer modernen Neutönerzeit einem jungen Komponisten zu begegnen, der es wagt, ganz entgegen den Gepflogenheiten mit wenig Mitteln seine Gedanken auszudrücken, während doch heute das Gefühl, das etwa eine Näherin um ihre verlorene Nadel empfindet, mit einem Orchester à la Strauss angedeutet wird.“ (Die Musik, 18. Jahrgang, 1918, 2. Juniheft).

In seiner konservativen Haltung - Bortz konstatiert eine „wesentliche Auflockerung der anerzogenen klassischen Tradition“ durch die kulturellen Erschütterungen des Ersten Weltkriegs, „ohne mich aber der Romantik zu entfremden oder mich der atonalen Richtung zuzuführen“ - fand sich der Komponist bald in einer deutsch-nationalen Ecke wieder, die vor allem während der beiden Weltkriege Konjunktur hatte. Seine 1925 in Cottbus uraufgeführte Oper „Wildfeuer“ etwa wurde 1933 in eine Liste empfehlenswerter Kompositionen des Kampfbunds für deutsche Kunst (KfdK) aufgenommen; eine Liste, die das Ziel eines "deutschen Spielplans" verfolgte. An den Erfolg der Uraufführung konnte das Werk dennoch nicht mehr anknüpfen, auch nicht unter dem neuen Titel „Carlo-Carola“. Mit der Festlichen Musik „Der Hände Werk“, 1937 mit 500 Sängern in der Frankfurter Festhalle uraufgeführt, schuf Bortz ein Auftragswerk für die Deutsche Arbeitsfront und stellte sich so auch offiziell in den Dienst der Nationalsozialisten.

Die Kriegsjahre selbst verbrachte Bortz in Graz (1938-1944), kehrte nach einer Zwischenstation in Neukalen (Mecklenburg) aber 1951 zurück in seine Heimatstadt Berlin, um sich 1955 schließlich mit seiner Familie in Zell am See niederzulassen. Sein rückwärtsgewandter Stil, der ihm den Beifall der Nationalsozialisten eingebracht hatte, war nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend weniger gefragt. Mehr noch als in den 20er Jahren war die Zeit reif für eine moderne Musik ohne ideologische Verdachtsmomente. 1957 schreibt Bortz rückblickend: „Da nun auf dem Gebiet der sogenannten E-Musik vorwiegend nur Werke sogenannter ‚neuer Musik` bevorzugt werden, so habe ich mich dann später auch mehr der gehobenen U-musik zugewandt und diesbezügliche Geltung erreicht.“ 
Dramatisch-illustrierende Filmmusik, Schlager wie „Ich möcht' einmal ein Wunder erleben“ oder „Du bist die Frau, die mich entzückt“ sowie Spanische Märsche gehören zum Unterhaltungsrepertoire, das Bortz bereits in den Berliner Kaffeehäusern der Zwischenkriegszeit bekannt gemacht hatte, und an das er nun in den 50ern erfolgreich anknüpfen konnte. Viele dieser Werke erschienen im Verlag Erler & Ries, teils unter dem Pseudonym Pietro Fasola. Nichts desto trotz komponierte Bortz auch weiterhin ernsthafte Orchester- und Kammermusik, die sich zumeist durch eine heitere Grundstimmung auszeichnet.

Bortz starb 1969 in einem Salzburger Altenheim, sein Nachlass (55 Nachl 77) kam im Jahr 2010 in die Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Er enthält über 200 Musikhandschriften, die Zeugnis seiner musikalischen Haltung ablegen: Nicht modern, aber authentisch, direkt und ehrlich zu sein. Briefe, Dokumente, Fotos, Kritiken und Radioprogramme ergänzen die Musikalien und bilden - gerade vor dem politischen Hintergrund der beiden Weltkriege - zeit- wie musikhistorisch ein sehr interessantes Quellenmaterial, das nun der Wissenschaft zur Verfügung steht.