Musik

Schellacksammlung

Die Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin verwahrt insgesamt ca. 55.000 Tonträger. Darunter befinden sich neben mehreren Tausend CDs auch etwa 26.000 Vinylplatten und rund 14.000 Schellackplatten. Schellackplatten zählen, aus heutiger Sicht, zu den historischen Tonträgern: als marktfähige Tonaufzeichnungsform gab es sie zwischen ca. 1890 und 1960, anschließend wurden sie von der moderneren Vinylplatte abgelöst.

Die Schellackplatten-Sammlung der Musikabteilung wurde seit Ende der 1930er Jahre durch Ankäufe von privat aufgebaut und bis in die 1990er Jahre fortgeführt. Sie wird heute nicht mehr erweitert, soll aber in nächster Zeit einer interessierten Öffentlichkeit in digitaler Form schrittweise zugänglich gemacht werden.

Siehe auch Blogbeitrag.

Schellackplatten sind benannt nach dem Material, aus dem sie zum überwiegenden Teil bestehen: Schellack bzw. Lackharz. Dadurch sind sie schwerer als Vinylplatten und brechen leichter. Sie werden im Unterschied zu Vinylplatten mit einer dickeren Stahlnadel abgespielt und nutzen sich bei jedem Abspielvorgang ab. Aus diesen Gründen werden Schellackplatten in öffentlichen Institutionen heute nicht mehr im Original in die Benutzung gegeben, sondern nur noch als ‚Umschnitt‘ bereitgestellt – früher beispielsweise auf DAT-Kassetten, heutzutage in digitaler Form als Audiofile.

Als Wiedergabegeräte für Schellackplatten dienten zunächst Grammophone mit Trichter, später dann elektrische Plattenspieler mit Spezialnadeln. Das Klangbild früher Schellackplatten ist gekennzeichnet durch typische Nebengeräusche wie Knistern, Knacksen und Rauschen, die im Laufe der Entwicklung des Tonträgers – insbesondere mit Einführung des elektrischen Aufnahmeverfahrens ab 1925 – immer mehr abnahmen. In akustischer Hinsicht stellt übrigens jede Schellackplatte, trotz ihrer Eigenschaft als Verlagsprodukt mit kommerzieller Zielrichtung, streng genommen ein Unikat dar: jedes Exemplar weist einen unterschiedlichen Abnutzungsgrad auf und führt daher zu einem einmaligen Klangergebnis. 

Schellackplatten erschienen im Gegensatz zu späteren Tonträgern noch gänzlich ohne informatives Begleitmaterial wie z.B. betextete Plattenhüllen/-cover oder Begleithefte bzw. Booklets. Grundlegende Angaben etwa zu Komponist, Werktitel, Textdichter, beteiligten Interpreten und Aufnahmeort/-zeit sind daher ausschließlich den Etiketten der Platten, den ,Labels‘, zu entnehmen. Doch auch die Labels lassen aus heutiger Sicht oft zu wünschen übrig, denn Informationen sind dort teils nur rudimentär oder gar nicht festgehalten. Daher lassen sich viele Aspekte, die die Aufnahme betreffen, meist nur über Sekundärliteratur erschließen. Hierbei können die auf dem Label befindlichen Bestell- und Katalognummern Hinweise geben oder auch die im Spiegel der Platten befindlichen Matrizennummern. Aus diesem Grund gehört es im Rahmen der digitalen Dokumentation von Schellackplatten heutzutage zum Standard, zusätzlich zu den Audiofiles auch Abbildungen der Labels online zu präsentieren.

Schellackplatten boten eine maximale Spieldauer von 3 bis 5 Minuten pro Plattenseite und waren damit auch in dieser Hinsicht der späteren, sogenannten ‚Langspielplatte‘ aus Vinyl deutlich unterlegen. Dies wirkte sich auch auf das Repertoire aus: auf Schellackplatten wurden ganz überwiegend Opern-Arien oder kurze Musiknummern aus dem Bereich der frühen Unterhaltungsmusik veröffentlicht, etwa Couplets und Chansons, daneben aber auch rein instrumentale Werke, hier vor allem Tanzmusik.

Vor der eigentlichen Digitalisierung werden die Schellackplatten zunächst gereinigt. Dazu wird eine professionelle Plattenwaschmaschine verwendet. Die Maschine ähnelt im Grunde einem Plattenspieler: Mithilfe eines Armes, der sich über der rotierenden Platte befindet, wird die Reinigungsflüssigkeit aufgetragen. Für Schellackplatten werden spezielle, alkoholfreie Reinigungsflüssigkeiten benötigt. Am Arm sind kleine Schwämme befestigt, die die Platte mechanisch reinigen. Anschließend werden die Flüssigkeit und mit ihr die Ablagerungen in den Rillen abgesaugt. Die Schellackplatte ist nun bereit für die Digitalisierung.

Für die Digitalisierung wird ein handelsüblicher Studio-Plattenspieler verwendet, der sowohl neuere Vinylplatten (mit 33 Umdrehungen pro Minute) als auch ältere Schellackplatten (mit 78 Umdrehungen) abspielen kann. Diese hohe Umdrehungszahl ist zwar für Schellackplatten üblich, stellt jedoch keinen allgemeinen Standard dar, denn speziell in der frühen Schellack-Ära waren auch noch höhere Umdrehungszahlen möglich.

Für die Abtastung verwenden wir ein Stereo-System. Dies mag zunächst irritieren, denn Schellackplatten wurden grundsätzlich einkanalig („mono“) mittels Schalltrichter bzw. später Mikrofon aufgenommen. Allerdings hat sich die Stereo-Abtastung als Vorteil erwiesen, denn die für Schellackplatten typischen Störgeräusche wie Knistern, Rauschen und Knacken sind im Gegensatz zum aufgezeichneten Ton nicht gleichlaut in beiden Kanälen. Dieser Umstand hilft, einen Großteil der alters- und nutzungsbedingten Störgeräusche herauszufiltern.

Das Ergebnis der Digitalisierung ist zunächst eine unbearbeitete, hochaufgelöste Audiodatei im Broadcast-Wave-Format (BWF/wav). Diese Datei ist für die Langzeitarchivierung vorgesehen. Eine weitere unbearbeitete, geringer aufgelöste Version wird in Zukunft Interessierten zur eigenen Bearbeitung angeboten werden. Für Präsentationszwecke wird die Aufnahme technisch nachbearbeitet und in das datensparsame mp3-Format umgewandelt. Dabei wird vor allem der Klang optimiert (etwa durch Verringerung von Nebengeräuschen wie Rauschen und Knistern) und die Auflösung verringert.

Nach der Digitalisierung wird noch das Etikett der Platte, das „Label“, fotografiert. Bei Schellackplatten war es üblich, die Platten in Standardhüllen der Plattenfirma oder des Plattengeschäfts zu verpacken, sodass auf den Hüllen keine Informationen zur Platte selbst vorhanden waren. Lediglich das Plattenlabel enthält Informationen zur auf der Platte befindlichen Aufnahme. Um das Label herum befinden sich häufig Gravuren, wie zum Beispiel Matrizennummern oder auch Autogramme beteiligter Künstler:innen.

Für die Präsentation der Aufnahme wird nun die klanglich optimierte mp3-Datei verwendet, die mit Labelfoto und Informationen zu Titel, Komponist:in, Textautor:in und beteiligten Musiker:innen angereichert ist.

Perspektivisch sollen sowohl die klanglich optimierten mp3-Dateien als auch die originalen, unbearbeiteten Dateien im wav-Format direkt aus dem Katalog erreichbar sein.

Da Schellackplatten nur eine maximale Spieldauer von 3 bis 5 Minuten pro Plattenseite boten, war das Repertoire in der Frühzeit des Mediums auf kurze Musikstücke festgelegt, etwa Arien aus Opern oder Musiknummern aus dem Bereich der frühen Unterhaltungsmusik (z.B. Couplets und Chansons, aber auch instrumentale Tanzmusik).

Die kurzen Vokalnummern aus dem Bereich der Unterhaltungsmusik stellten häufig Auszüge aus aktuellen Operetten, Schwänken oder Possen dar, die gerade an den Variété-Theatern der Zeit gegeben wurden. Neben Paris und Wien war zwischen 1900 und 1940 vor allem die Metropole Berlin ein ,Hotspot‘ dieser Kleinkunstform, und dies spiegelt sich auch im Schellackplattenbestand der Stabi wider. Die Sammlung weist eine hohe Dichte an Gesangs- und Instrumentalnummern dieser frühen Berliner Theater- und Salonmusik auf. 

Unsere Online-Präsentation von Schellackplatten ist als Serie geplant: wir möchten Ihnen in unserem Stabi-Blog in regelmäßigen Abständen Ausschnitte aus unserer Schellack-Sammlung in digitaler Form zur Verfügung stellen, wobei im Rahmen der ersten Serie der Schwerpunkt auf der Berliner Unterhaltungsmusik zwischen 1900 und 1940 liegen soll.

Den Anfang unserer ersten Schellack-Serie macht in Folge 1 der Komponist des berühmten Gesangsmarsches Das macht die Berliner Luft: Paul Lincke!