Musik

Der Nachlass von Paul Höffer

Der umfangreiche Nachlass (55 Nachl 87) des Komponisten Paul Höffer (1895-1949) gewährt mit seinen Musikautographen und Notendrucken, Briefen, Zeitungskritiken, Programmzettel und vor allem den regierungskritischen Tagebüchern einen plastischen Einblick in das Musikleben und den Alltag von 1920 bis 1949.

Höffer hatte beim Kompositionswettbewerb anlässlich der Olympiade von 1936 den "Olympischen Schwur" - ein monumentales Chorwerk mit Orchesterbegleitung - komponiert und dafür die Goldmedaille bekommen. Bis heute sind kaum andere Werke von ihm bekannt.

Der "Olympische Schwur" war für Höffer "Sprungbrett" für weitere Auftragswerke und größere Bekanntheit im Dritten Reich und Anfangs- und Endpunkt seiner kompositorischen Entwicklung.

Nach ersten kompositorischen Erfolgen im Stil seines als "entartet" gebrandmarkten Lehrers Franz Schreker auf symphonischem und kammermusikalischem Gebiet wandte sich Höffer ab 1930 der Laien- und Jugendmusikbewegung mit Werken im Stile Paul Hindemiths zu. Erst 1936 vermochte er, beide Stile zu vereinen: "Zeitweise wollte ich überhaupt nichts anderes mehr schreiben als Laien-Musiken, aber da wurde mir eines Tages klar, daß auch damit das Grundproblem nicht gelöst sei. Mir wurde klar, daß eine Überbrückung von der rein sinfonischen Musik zur Laienmusik gefunden werden müßte. [...] [Ich war] besonders stolz darauf, daß mir zum erstenmal diese Überbrückung gelungen schien."

Höffer komponierte von 1933 bis 1941 zahlreiche Musikwerke für den NS-Feierkult, Aufmärsche und Thingspiele. Er wurde von Joseph Goebbels protegiert und auf die „Gottbegnadetenliste“ gesetzt, die ihn vor Kriegsdienst bewahrte.

Ein ganz anderes Bild des Komponisten gewähren die zahlreichen Tagebuchbände Höffers, die er bis kurz vor seinem Tod verfasst hatte. Sie gewähren einen seltenen Blick auf das wahre, menschlich oftmals berührende Innenleben eines Komponisten während der Diktatur. Für Paul Höffer waren seine Tagebücher ein Mittel, sich in einem geschützten Raum freimütig zu äußern. Sie scheinen wie eine trostspendende Zuflucht beinahe überlebenswichtig für ihn gewesen zu sein. Hier verurteilte er den aufkommenden Antisemitismus und die zahlreichen Entlassungen und Bespitzelungen an der Hochschule ebenso vehement wie die zunehmende Militarisierung und Uniformierung im Alltag.

Spätestens bei Kriegsausbruch wünschte sich Höffer immer eindringlicher, "Hitler und das ganze Gesindel" beendete sein Unwesen und "verschwinde so bald wie möglich": "Dieser Mensch muß fort, er kann nur Schlechtes mit sich bringen und Unglück verbreiten" (55 Nachl 87/G,15). Selbst die NS-Feierkultur betrachtete er mit einer Mischung aus Spott und Befremden, erkannte Musik als Mittel der Propaganda: "Was sie Kultur nennen, sind jetzt nur Verzauberungsmittel" (55 Nachl 87/G,15).

Gedankenwelt und Außenwirkung des Komponisten bzw. seine Tätigkeit als Tonsetzer gerade für die offiziellen staatlichen Veranstaltungen fallen völlig auseinander. Aus den Tagebüchern wird deutlich, dass er die Ausführung mancher Auftragswerke als durchaus belastend empfand und mit vorgeschobenen Ausreden auch ablehnte, wie die Komposition eines Hörspiels "Horst Wessel" 1933, einer "Heldischen Feier" zum Heldengedenktag 1935 oder noch 1943 die Vertonung von Durchhalteparolen zu einer Feierstunde im Berliner Sportpalast. Für die Nazigrößen Göring, Hitler und Goebbels fand Höffer im Tagebuch breiten Raum für Häme und Hohn.

Neben den zahlreichen musikpädagogischen, von der Jugendmusikbewegung beeinflussten Arbeiten, Werken für den Konzertsaal, großangelegten Oratorien und einer Oper "Der falsche Waldemar" sind besonders die 35 Tagebuchbände von ganz zentraler Bedeutung für den Nachlass und die Bewertung eines Kunstschaffens unter den totalitären Bedingungen der NS-Diktatur.