Handschriften und Historische Drucke

Zentrum Handschriftenkatalogisierung - laufende Projekte

Katalogisierung der lateinischen Handschriften der Stadtbibliothek Trier aus Eberhardsklausen, Band 2

Zum Bestand der Bibliothek des 1456 gegründeten und 1802 aufgehobenen Augustiner-Chorherrenstifts Eberhardsklausen nahe Trier gehörten ca. 200 Handschriften, die ganz überwiegend in der zweiten Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jhs. entstanden. Sie werden heute bis auf wenige Ausnahmen in der Stadtbibliothek Trier aufbewahrt.

Nachdem Betty C. Bushey 1996 in ihrem Katalog der deutschsprachigen und niederländischen Handschriften der Stadtbibliothek Trier Beschreibungen von 16 Eberhardsklausener Codices vorgelegt hatte, beschrieben Kurt Heydeck und Guiliano Staccioli in einem ersten, 2007 erschienen Teilband 69 lateinische Handschriften aus dem Chorherrenstift. Diese Erschließung der lateinischen Handschriften aus Eberhardsklausen wird dank der Förderung durch die DFG seit dem 1. Januar 2009 im Handschriftenkatalogisierungszentrum der Berliner Staatsbibliothek fortgesetzt.

Im Mittelpunkt des Projektes, das auf fünf Jahre angelegt ist, steht die Erschließung der restlichen 113 Handschriften der Stadtbibliothek aus Eberhardsklausen, darunter vor allem aszetische, homiletische und hagiographische Handschriften. Ziel des Projektes ist ein gedruckter Katalogband. Soweit vorläufig fertiggestellt, werden die Beschreibungen aber schon vorab in Manuscripta mediaevalia im Rahmen der Projektvorstellung präsentiert werden.

Verantwortliche Bearbeiterin: Dr. Marie-Luise Heckmann

 

Katalogisierung der mittelalterlichen Handschriften der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (inkl. restituierte Codices)

Vom 1. Februar 2007 bis zum 23. November 2013 (bzw. mit Werkvertragsmitteln der ULB Bonn bis zum 31. März 2015) wurden am Katalogisierungszentrum der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz die mittelalterlichen Handschriften der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn erschlossen. Die 172 erhaltenen Manuskripte in 177 Bänden sind teilweise in Form einer verkürzten Beschreibung nach dem Modell des Greifswalder Handschriftenprojekts beschrieben (100 Handschriften in 104 Bänden), teilweise in klassischer Tiefe nach den ‚Richtlinien Handschriftenkatalogisierung‘ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (72 Handschriften in 73 Bänden). Zusätzlich aufgenommen wurden 31 mittelalterliche Handschriften, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Bonn nicht mehr nachgewiesen werden konnten, sowie Inventarbeschreibungen von 106 mittelalterlichen Buchfragmenten. Die Katalogisierung erfolgte direkt über das Bearbeitungsmodul MXML der Handschriftendatenbank Manuscripta Mediaevalia, wo alle Katalogisate mit über 4.800 repräsentativen Auswahldigitalisaten verknüpft sind.

Über die Hälfte der Bonner Handschriften stammt aus dem Spätmittelalter, d. h. aus dem 14. bis zum frühen 16. Jahrhundert, aber es sind auch zahlreiche Fragmente des 8. bis 13. Jahrhunderts vertreten, ferner eine vollständige Handschrift des 11. Jahrhunderts sowie fünf Codices aus dem 12. und immerhin 15 aus dem 13. Jahrhundert. Die meisten Handschriften sind am Mittel- und Niederrhein entstanden (darunter zahlreiche in Köln), einige stammen aber auch aus Westfalen, aus den Niederlanden und aus dem heutigen Belgien sowie aus Frankreich und Italien.

Die Spuren der Französischen Revolution und die politische Neuordnung Europas nach 1815 schlagen sich in den Bibliotheksbeständen der 1818 neu gegründeten Universität Bonn deutlich nieder, auch in den Provenienzen ihrer mittelalterlichen Handschriften. Nach Auflösung der Vorgängerinstitution in Duisburg durch Preußen gelangten bereits 1818 mit der dortigen Bibliothek 15 Handschriftenbände (darunter mehrere Klassikerhandschriften) nach Bonn, in die einzige verbliebene Universität der Rheinprovinz. 1819/20 kamen – wiederum auf Vermittlung Preußens – noch einmal acht mittelalterliche Manuskriptbände aus der Königlichen Landesbibliothek Düsseldorf dazu (u. a. vier Codices aus dem Zisterzienserkloster Altenberg). Ein größerer Block von 44 Handschriften (inklusive sechs verlorene Codices und ein Fragment) kehrte nach ihrer Requirierung durch Frankreich 1819 aus der Bibliothèque Nationale Paris nach Bonn zurück. Die bedeutendsten Provenienzen machen hier elf Codices aus dem Benediktinerkloster Maria Laach (darunter sechs autographe Bände des frühen 16. Jahrhunderts aus dem Umkreis des Priors und Klosterhumanisten Johannes Butzbach) sowie zehn spätmittelalterliche Handschriften aus dem Augustiner-Chorherrenstift Eberhardsklausen aus. Der quantitativ bedeutendste Zuwachs gelang jedoch erst 1821 durch die Übernahme von 55 oder 56 mittelalterlichen Manuskripten (darunter neun oder zehn heute verlorene) und fünf Fragmenten aus der Gymnasialbibliothek Koblenz, wobei Bonn auch hier seine Interessen erst durch eine Intervention der preußischen Landesregierung in Berlin durchzusetzen vermochte. Bei den Koblenzer Provenienzen machen 21 Handschriften aus dem dortigen Augustiner-Chorherrenkloster Niederwerth sowie sieben aus dem Franziskaner- und fünf aus dem Dominikanerkloster (darunter drei Autographen aus dem Besitz des Inquisitors und Konzilsteilnehmers Heinrich Kalteisen) die größten Nester aus. Im gleichen Jahr (1821) konnten aus dem Vorbesitz des Augustiner-Chorherrenklosters Dalheim sechs Codices übernommen werden. Kleinere zusammenhängende Bestandsgruppen kamen dann erst mit drei mittelalterlichen Handschriften aus dem Benediktinerkloster Werden bei Essen (1837), mit sechs Codices aus der Privatbibliothek des schottischen Bibliophilen Sir Thomas Phillipps (1911, aus der aufgelösten Sammlung des deutschen Gelehrten Leander van Eß) sowie mit fünf Manuskripten aus dem Schwesternhaus in Geldern (1933) hinzu.

Zu den herausragenden Stücken des Bonner Bestandes gehören palimpsestierte Fragmente zweier noch in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts in England (York?) und Northumbrien entstandenen Handschriften aus dem Gründungsbestand des Missionsklosters Werden (S 366, S 367), Reste einer Ende des 8. Jahrhunderts wahrscheinlich in Regensburg entstandenen Abschrift der lateinischen Bellerophon-Sage (S 476,vv), ein Spiegelfragment aus einem zeitgleich wohl in Salzburg geschriebenen Homiliar (Sf 517 in S 1966) sowie Bruchstücke einer ‚Biblia Turonensis‘ sowie der nordwestfranzösischen Theodulf-Bibel, einer kommentierten Handschrift von Vergils ‚Aeneis‘ und einer Abschrift von ‚De schematibus et tropis‘ von Beda Venerabils – alle aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts (S 1688,A–B, S 1688,a–g, S 183,a–b, S 476,yy). Kulturhistorisch höchst bedeutsam sind ferner Fragmente einer in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts geschriebenen Handschrift des althochdeutschen ‚Evangelienbuchs‘ von Otfrid von Weißenburg (S 499), ein vor 1083 vermutlich im Trierer Benedinktinerkloster Sankt Maximin entstandenes Klosterschulbuch mit althochdeutschen Glossen (S 218), ein Psalter in einem Beutel- oder Hüllenbuch aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts (S 268), ein prachtvoll illuminierter, 1286 in Amiens entstandener Riesencodex mit der frühesten bebilderten und gleichzeitig vollständigsten Fassung des altfranzösischen ‚Lancelot-Graal-Zyklus‘ (S 526) sowie ein ebenso herausragend illuminiertes, 1299 in Köln von Johann von Valkenburg für den Chor der dortigen Franziskanerkirche gefertigtes Graduale (S 384). Für den Bereich der Altgermanistik wichtig sind weiterhin zwei in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts am Oberrhein entstandene Codices mit dem ‚Willehalm von Orlens‘ und ‚Barlaam und Josaphat‘ von Rudolf von Ems (S 501, S 502) sowie zwei in den frühen 1440er-Jahren in der Werkstatt des Diepolt Lauber in Hagenau gefertigte Bilderhandschriften mit Strickers ‚Karl‘ (S 500) und einer Historienbibel (S 712). Kultur- und religionsgeschichtlich bemerkenswert ist schließlich etwa ein Dutzend volkssprachlicher Gebetbücher vom Niederrhein bzw. den Niederlanden aus dem 15. Jahrhundert, ebenso wie ein franziskanisches Diurnale aus dem Besitz des italienischen Volkspredigers Jacobus de Marchio (S 2605).

Ein gedruckter und bebilderter Katalog ist 2015 bei de Gruyter (Berlin) erschienen. Mit Hilfe der Beschreibungen der scheinbar verschollenen Handschriften gelang Ende 2017 bei Sotheby’s (London) die Identifikation von elf Codices aus Brüsseler Privatbesitz (S 89, S 296, S 298,1, S 315, S 333, S 386, S 391, S 1682, S 1946, S 1948, S 1952). Damit kam auf einen Schlag mehr als ein Drittel aller Bonner Handschriften, bei denen der Verbleib nach 1945 ungeklärt war, wieder ans Licht, was die Hoffnung nährt, vielleicht irgendwann auch die restlichen 20 Stücke wieder aufzufinden. Nachdem die elf Handschriften 2018 nach Bonn zurückgegeben worden waren, konnten diese nach Restaurierung und Digitalisierung in einem vom 1. April 2020 bis zum 31. Januar 2021 laufenden, wiederum von der DFG geförderten Projekt tiefenerschlossen werden. Die Beschreibungen sind zusammen mit den kompletten Digitalisaten über die Handschriftendatenbank recherchierbar, werden aber auch in einem eigenen Beitrag in Bd. 57,2 (2022) des ‚Mittellateinischen Jahrbuchs‘ sowie (in begrenzter Auflage) als Separatdruck erscheinen.


Verantwortlicher Bearbeiter:Dr. Jürgen Geiß-Wunderlich

 

Katalogisierung der mittelalterlichen Handschriften der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek Paderborn

Am Handschriftenzentrum der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz werden seit 1. Februar 2021 die mittelalterlichen Codices der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek Paderborn in klassischer Tiefenerschließung nach DFG-Richtlinien erschlossen. Es handelt sich dabei um einen Projektumfang von 131 Codices, die sämtlich über MXML bzw. Manuscripta mediaevalia erschlossen werden sollen. Wie bei den Projekten zu den Beständen in Greifswald, Bonn und Berlin (Mss. lat. fol.) ist zunächst geplant, die so gewonnenen Be­schreibungen mit Auswahldigitalisaten anzureichern und über die Handschriftendatenbank zur Verfügung zu stellen. Hierzu werden in einem ersten Schritt die Inventardaten aus dem ‚Handschriftencensus Westfalen‘ in die Datenbank eingebracht, um diese in einem zweiten Schritt vertieft zu Katalogisaten auszuarbeiten, die später auch in einem gedruckten Katalog publiziert werden können.

Die Paderborner Codices decken mit Beständen vom frühen 9. Jahrhundert bis zur Reformationszeit einen großen Sektor mittelalterlicher Überlieferung ab. Der weitaus größte Anteil – knapp vier Fünftel – stammt freilich aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert. Das mag damit zusammenhängen, dass die Bestände provenienzhistorisch sehr deutlich von den kirchlichen Reformbewegungen im westfälischen Raum geprägt sind, namentlich von der benediktinischen Reform von Bursfelde. Aus dem Mutterkloster selbst haben sich 15 Codices im Depositalbestand der Pfarrbibliothek Sankt Nikolai Höxter erhalten; aus dem Paderborner Abdinghofkloster stammen sogar 39 Handschriften mit einem zeitlichen Schwerpunkt in den zwei Jahrzehnten vor und nach 1500. Aus Corvey, das im Dreißigjährigen Krieg massiv geplündert worden war, hat sich mit dem Evangeliar aus der Gründungszeit im frühen 9. Jahrhundert (Ms. Hux. 21), den Hirsauer Konstitutionen von etwa 1070 (Ms. Hux. 25) sowie mit einer Bibelhandschrift aus dem 12. Jahrhundert (Ms. Hux. 23a) nur ein kleiner, wenn auch äußerst wertvoller Teil der ehemals bedeutenden Bibliothek erhalten, die im 17. Jahrhundert vor allem mit Beständen aus Bursfelde reorganisiert werden konnte. Dazu treten größere Provenienzgruppen aus dem Windesheimer Augustiner-Chorherrenkonventen Böddeken (13) und Dalheim (1), die etwa zur Hälfte aus der 1925 als Depositum übernommenen Bibliothek des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens (Abteilung Paderborn) sowie aus dem Gründungsbestand der ehemaligen Jesuitenhochschule bzw. der Bibliotheca Theodoriana Paderborn stammen. Über diese Provenienz sind auch elf Codices des 15. Jahrhunderts aus dem ehemaligen Kreuzherrenkloster Falkenhagen nach Paderborn gelangt, die teilweise als Auftragsarbeit im Frater­herrenhaus Herford entstanden sind.

Kunst- und kulturgeschichtlich bedeutsam sind neben den oben genannten drei Codices aus dem Corveyer Altbestand ein Epistular aus der Dombibliothek Paderborn (VGAW Cod. 123) sowie ein Evangeliar aus dem Depositalbestand des Pfarrarchivs Willebadessen (o. S.) – beide aus dem 12. Jahrhundert –, eine Pariser Perlbibel sowie das Memorialbuch des Zisterzienserinnenklosters Sankt Burchardi in Halberstadt aus dem 13. Jahrhundert (Ms. Hux. 4  bzw. Ms. Hux. 13a) sowie zwei reich mit Buchschmuck versehene Liturgica (‚Hersteller Missale‘, Akad. Pad. 156; ‚Abdinghofer Graduale‘, Ba 1), die im 15. Jahrhundert bzw. 1507 gefertigt worden sind. Die sehr spezielle Einstellung der Bursfelder Reformbenediktiner zu Text und Tradition illustriert ferner die Palimpsest­handschrift Ms. Hux. 11a, für deren Herstellung für entbehrlich gehaltene Pergamenthandschriften des eigenen Bestandes zerlegt und radiert wurden, um auf dem so gewonnenen Rohmaterial Heiligenlegenden für die eigene Klosterbibliothek schreiben zu können. Die kirchliche Reformbewegung des 15. Jahrhunderts schlägt sich schließlich deutlich auch in zehn volkssprachlich (niederdeutsch bzw. niederländisch) geprägten Handschriften nieder. Diese überliefern größtenteils Gebet- und Andachtsbücher aus Frauenklöstern Westfalens und vom Niederrhein. Andere volkssprachliche Codices sind eher historisch und archivalisch geprägt, so etwa drei Codices des Böddeker Laienbruders Göbel Schickenberges aus dem frühen 16. Jahrhundert. Handschriften wie diese zeigen sehr deutlich die pragmatische Wende an, der Handschriftenüberlieferung in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts unterworfen war.


Verantwortlicher Bearbeiter:Dr. Jürgen Geiß-Wunderlich