Handschriften und Historische Drucke
Ludwig Darmstaedter( 1846-1927) Wissenschaftler, Sammler, Mäzen
Die Sammlung von Ludwig Darmstaedter ist eines der bedeutendsten Vermächtnisse, das die Bibliothek im Laufe ihrer Geschichte zum Geschenk erhielt. Darmstaedter sammelte Materialien überwiegend zur Geschichte der Naturwissenschaft und Technik. Sie enthält über 250 000 Autographen, Nachlässe von Wissenschaftlern und Dichtern, Porträts, Fotos, Zeichnungen, Faksimiles und Reproduktionen.
Zur Person Ludwig Darmstaedter
1846 wurde Ludwig Darmstaedter als zehntes Kind einer jüdischen Tuchhändler-Familie in Mannheim geboren. Schon mit 14 Jahren wurde er Waise und danach von seinem wesentlich älteren Stiefbruder groß gezogen. Mit 18 Jahren nahm er ein Studium der Geologie und Mine-ralogie in Heidelberg auf; in dieser Zeit legte er seine erste Mineraliensammlung an, die er spä-ter der Universität vermachte. - Schon als Student arbeitete Darmstaedter in den Labors der berühmten Chemiker Robert Bunsen und Emil Erlenmeyer und wechselte bald schon zum Studium der Chemie. Mit 21 Jahren promovierte er und arbeitete danach als Chemiker in Leipzig und Berlin.
Nach beruflichen Wanderjahren in Frankreich, England und Spanien heiratete er 1872 Marie Gumbert, Schwägerin des Frankfurter Bankier Georg Speyer; das Ehepaar Darmstaedter bekam drei Kinder, sechs Enkelkinder und elf Urenkel, .
1874 wurde Ludwig Darmstaedter Unternehmer: er trat als Teilhaber in die Berliner Ammoniak- und Glycerin-Fabrik Dr. Benno Jaffé ein, welche fortan als Benno Jaffé & Darmstaedter firmierte. Zehn Jahre später erwarb diese Firma ein Patent zur Gewinnung von Wollfett, das unter dem Namen Lanolin bekannt wurde, neben anderen Produkten trat die Lanolinseife ihren Siegeszug in der Kosmetik an. Im Jahr 1900 wurde die Firma unter dem Namen Vereinigte Cheimische Werke AG in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, in deren Aufsichtsrat er gewählt wurde.
Mit dem Mediziner Paul Ehrlich war Darmstaedter eng bekannt, mit großem Interesse verfolgte er dessen wissenschaftliche Arbeiten, u. a. zur Krebsforschung. Auf Initiative Darmstaedters wurde nach dem Tod des Bankiers Georg Speyer ein Forschungsinstitut eingerichtet, welches die Arbeit Paul Ehrlichs unterstützte. 2006 feierte die Stiftung Chemotherapeutisches Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus sein 100-jähriges Bestehen.
1906, mit 60 Jahren, schied Ludwig Darmstaedter bei den Vereinigten Chemischen Werken aus und widmete sich fortan hauptsächlich seinen Ehrenämtern, wissenschaftlichen Studien und vielfältigen Hobbys. Neben anderem war er ein begeisterter Alpinist und veröffentlichte zahlreiche Berichte teils über Erstbesteigungen in den Alpen. Während seiner Touren fertigte er diverse Aquarellzeichnungen an, von denen einige bis heute erhalten sind.
Eine große Sammelleidenschaft hatte er für europäisches Porzellan, das er bereits seit 1880 systematisch erwarb und wissenschaftlich aufbereitete.
Ab 1897 wandte er sich intensiv dem Sammeln von Autographen zu. Parallel befasste er sich mit der Geschichte der Naturwissenschaften und veröffentlichte Kurzbiographien von Wissenschaftlern.
1904 erschien "4000 Jahre Pionier-Arbeit in den exakten Wissenschaften"
Wie seine Sammlung entstand
Um das Jahr 1890 begann Ludwig Darmstaedter mit dem Sammeln von Autographen von Größen der Literatur, der Kunst und der Wissenschaften. Ab 1897 konzentrierte er sich zunehmend auf das Sammeln von Dokumenten zur Geschichte der Wissenschaften. Selbst Naturwissenschaftler und Unternehmer, wusste Darmstaedter um die Bedeutung von Erfindungen und Entdeckungen sowie die enormen Entwicklungen in der Industrie des ausgehenden 19./ beginnenden 20. Jahrhunderts. Zunächst verfasste er "4000 Jahre Pionierarbeit...", das 1904 bei J. A. Stargardt erschienen. Er überarbeitete und erweiterte das Werk bis 1908 zum "Handbuch zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik". Auf über 1.200 eng bedruckten Seiten stellte er in chronologischer Reihenfolge, unter Nennung der je-weils beteiligten Personen, die größten Entdeckungen, Erfindungen, Ideen und damals wie heute eher nebensächlichen Patente und Erkenntnisse vor. Die Chronologie ergänzte er um ein Personenverzeichnis und um ein Sachverzeichnis mit Stichwörtern und Jahreszahlen.
Für den Ausbau der Autographensammlung war dieses Werk von großer Bedeutung, hatte Ludwig Darmstaedter doch so den vorzüglichsten Überblick über thematische und personelle Lücken in seiner Sammlung, von denen er viele mit großem Einsatz und Geschick schließen konnte. Er sprach alle an: Forscher, Erfinder, Nachfahren von Gelehrten, Firmeninhaber und andere. Er bat um die Überlassung von Briefen, Manuskripten, handgeschriebenen Lebensläufen, Skizzen, Notizen, Porträts und sicherte stets zu, dass den Stücken mit ihrer Aufnahme in diese Sammlung in öffentlicher Hand beste Bedingungen für eine dauerhafte Aufbewahrung zuteil würden.
Die Erwerbungsakten der Sammlung belegen eindrucksvoll das sachkundige Werben Darmstaedters um Unterstützung sowie die überwiegend positiven Reaktionen der Adressaten. Seine Autorität als Industrieller und als herausragende Persönlichkeit der Berliner Gesellschaft ebnete Wege. Doch auch ein anderer Umstand begünstigte das rasche Wachsen der Sammlung: Der nationale und internationale Handel hatte zu jener Zeit wenig Interesse an Dokumenten mit naturwissenschaftlichem Inhalt. So gelang es Darmstaedter leicht und für wenig Geld in kurzer Zeit viele wertvolle Briefe und andere Stücke zu kaufen. Zugleich wuchs sein Unterstützerkreis, beispielsweise übergaben ihm die Gesellschaft für Erdkunde und die Chemische Gesellschaft zu Berlin diverse Materialien. Auch konnte er in zahlreichen Archiven von Behörden und Ministerien Akten einsehen und dort nicht mehr benötigte Unterlagen bekommen, die er allerdings nur erbat, wenn sie inhaltlich die Sammlung bereicherten.
Als die Sammlung 9.000 Namen und 23.000 Schriftstücke aus dem 15. bis 20. Jahrhundert verzeichnete, entschloss sich Ludwig Darmstaedter zum 31. Dezember 1907 zur Schenkung der Sammlung an die Königliche Bibliothek in Berlin. In der Stiftungsurkunde sicherte er zugleich finanzielle Mittel zum weiteren Aufbau der Sammlung zu. Weitere zwanzig Jahre mehrte der Mäzen Darmstaedter mit eigenen finanziellen Mitteln und höchstem persönlichen Einsatz diese Sammlung, welche auf knapp 200.000 Stücke und 45.000 Namen anwuchs. Nach dem Tod Darmstaedters im Jahr 1927 setzte die Bibliothek die Arbeit an dieser Sammlung ganz im Sinne ihres Stifters fort und ergänzte sie bis zum Jahr 1943 um weitere rund 50.000 Autographen
Diese große Sammlung wird durch die Verbunddatenbank Kalliope erschlossen.