Orient

Südasiatische Handschriften

Die Orientabteilung betreut etwa 10.000 Handschriften in südasiatischen Sprachen und Schriften auf verschiedenen Beschreibstoffen, wobei die Sanskrit- und Prakrit-Handschriften nordindischer Herkunft auf Papier deutlich überwiegen. Sie sind zumeist in Devanāgarī geschrieben. Einen weiteren Schwerpunkt der Sammlung bilden die annähernd 2000 Handschriften in der kaschmirischen Śāradā-Schrift.

Handschriften aus Südasien gelangten relativ spät und zunächst auch nur spärlich nach Berlin. Immerhin erwähnt ein 1668 angelegter und bis etwa 1700 weitergeführter Katalog der Manuskripte in der Kurfürstlichen Bibliothek unter den 100 vorhandenen orientalischen bereits zwei malabarische Handschriften (Tamil), die bislang jedoch keinen Objekten zugeordnet werden konnten.

Die nachweislich frühesten Erwerbungen des noch heute vorhandenen Bestandes waren jedoch zwei Palmblattmanuskripte in Tamil (Ms. or. fol. 150 und 151), die Alexander von Humboldt 1823 in Paris gekauft hatte. Von 1827 bis 1834 kamen 31 Sanskrit-Handschriften hinzu.

Die erste umfangreiche Erwerbung gelang der Königlichen Bibliothek im Jahre 1842 mit dem Ankauf der Sammlung des Sir Robert Chambers, die dieser während seiner Zeit als Richter in Calcutta 1774–1799 zusammengetragen hatte. Sie enthält Werke aus allen Bereichen der Sanskrit-Literatur, wobei die vedische Literatur besonders reichhaltig vertreten ist. Bereits 1853 erschien ein Katalog mit Beschreibungen der 844 Manuskripte der Sammlung Chambers und der 56 weiteren bis 1852 erworbenen Sanskrit-Handschriften. Albrecht Webers Verzeichniss der Sanskrit-Handschriften war eine Pionierleistung nicht nur auf dem Gebiet der Indologie. Dieser Katalog war zugleich der erste Band in der Reihe Handschriften-Verzeichnisse der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Unter den indischen Handschriften hat nur die Sammlung Chambers gesonderte Signaturen erhalten.

Eine für die damalige Zeit beachtliche Anzahl von 253 Jaina-Handschriften erwarb die Bibliothek in den Jahren 1873–78 durch die Vermittlung Georg Bühlers, der von 1863–1880 dem Educational Department der Bombay Presidency angehörte. In der Folgezeit wurde die gezielt für die Forschung angelegte Sammlung systematisch erweitert. Nicht nur Texte in Sanskrit und Prakrit, sondern auch solche in Frühneugujarati und Hindi wurden in großer Zahl erworben. Bereits 1898 umfasste die Berliner Sammlung mehr als 1.000 Jaina-Handschriften. Später wurde sie noch durch einige Einzelerwerbungen ergänzt. Sie ist heute eine der bedeutendsten ihrer Art in Europa.

Eine umfangreiche Sammlung Südindischer Palmblattmanuskripte kam erstmals 1919 in den Bestand. Der von indischen Gelehrten unter der Leitung Friedrich Otto Schraders erarbeitete Verkaufskatalog Nr. 403 (1911) des Vorbesitzers Karl W. Hiersemann in Leipzig verzeichnet 681 Handschriften, von denen 642 erworben wurden. Schrader war es auch, der die Sammlung 1911 in Indien zusammengetragen hatte. Eine weitere große geschlossene Gruppe wurde mit den 494 Palmblattmanuskripten der Sammlung Janert erworben. Zusammen mit den Einzelerwerbungen und den mehr als 200 vorhandenen singhalesischen befinden sich mehr als 1500 südasiatische Palmblattmanuskripte im Bestand. Viele von ihnen sind leider in einem schlechten Zustand.

Der Ankauf der Sammlung des Indologen Klaus Ludwig Janert im Jahre 1996 war die größte Erwerbung südasiatischer Manuskripte nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Herkunft der ca. 2400 Handschriften erstreckt sich von Kaschmir im Norden bis nach Südindien. Ihr Wert besteht in der Vielfalt der repräsentierten Literaturgebiete, Sprachen und Schriften. Wissenschaftlich bedeutsam sind vor allem die Handschriften aus dem Bereich des kaschmirischen Shivaismus und der vedischen Literatur. Da die südindischen Handschriften der Sammlung Janert auf Palmblatt geschrieben wurden und die kaschmirischen z.T. auf Birkenrinde, eignen sie sich besonders für paläographische Studien.

Auf die vielen Erwerbungen kleineren Umfangs einzugehen, die unsere Sammlung in den vergangenen beiden Jahrhunderten nicht nur in ihrer Zahl, sondern auch in ihrer Vielfalt bereicherten, ist hier nicht möglich. Weitere Informationen hierzu finden sich in den gedruckten Katalogen, insbesondere in jenen von Albrecht Weber.

Die Sanskrit-Handschriften der Staatsbibliothek zu Berlin sind nahezu vollständig wenigstens durch Kurzaufnahmen katalogisiert. Für noch nicht katalogisierte drawidischen Handschriften war ursprünglich der Teil 14 des VOHD ; Bd. 2: Indische Handschriften geplant. Dieser Band ist nicht mehr erschienen. Wie die Sanskrithandschriften auch wurden die drawidischen Handschriften seit 2016 in der Datenbank „KOHD Digital“ erfasst. Ebenfalls nicht erschienen ist der ursprünglich geplante Teil 3 des VOHD ; Bd. 22: Singhalesische Handschriften.

Kataloge

Die Orientabteilung verwahrt ferner die Materialien des „Nepal German Manuscript Preservation Project“ (NGMPP), in dessen Rahmen etwa 180.000 Handschriften und 60.000 historische Dokumente verfilmt wurden. Dazu zählen 9136 Mikrorollfilme (SW), 713 Diapositivfilme, ca. 2000 gerahmte Farbdiapositive und die zugehörigen handschriftlichen Katalogkarten. Online-Kataloge wurden an der Universität Hamburg im Rahmen des „Nepalese-German Manuscript Cataloguing Project“ (NGMCP) erstellt.

 


Herausragende Objekte

Jaina-Handschrift mit Miniaturen

Uttarajjhāyā (Uttarādhyayana-Sūtra) mit Avacūrī. ca. 1500.
Prakrit in Jaina-Devanāgarī-Schrift auf Papier.
Eine der schönsten Jaina-Handschriften der SBB-PK mit 36 Miniaturen im Stil der Westlichen Schule der indischen Miniaturmalerei.

 


Sanskrithandschrift auf Birkenrinde

Rāmāyaṇa, Sundarakāṇḍa (unvollständig). ca. 17. Jh.
Sanskrit in Śāradā-Schrift auf Birkenrinde, wahrscheinlich aus Kaschmir.

 


Mittelalterliche Liebesdichtung

Maṯnawī Lorik o Candā (unvollständig). 15. Jh.
Avadhī in Nasḫī, einer kalligraphischen Form der arabischen Schrift, auf Papier.
Jedes Blatt hat auf der einen Seite eine Miniatur in einem der Westlichen Schule der indischen Miniaturmalerei verwandtem Stil und auf der anderen den Text.

 


Jahangir (Ǧahāngīr)-Album

Die 25 Blätter aus dem Album des Moghul-Kaisers Ǧahāngīr (reg. 1605–1627) zählen zu den bedeutendsten Kunstwerken im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin.