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Bankhaus Mendelssohn (gegründet 1795) W

Im Jahr 1795 gründete Joseph Mendelssohn, der älteste das Kindesalter überlebende Sohn Moses Mendelssohns, in Berlin eine »Handlung«, die sowohl Geld- und Wechselgeschäfte als auch Warenhandel betrieb. 1804 nahm Joseph seinen jüngeren Bruder Abraham in die nunmehr unter »J. & A. Mendelssohn« firmierende Firma auf, die für einige Jahre ihren Schwerpunkt in Hamburg hatte, bis 1811 Repressalien der damaligen französischen Besatzungsmacht eine Rückkehr der Brüder nach Berlin notwendig machten. Nach 1815 war J. & A. Mendelssohn dann an einem Konsortium mehrerer Banken beteiligt, die den Transfer der beim Wiener Kongress festgesetzten französischen Kriegsreparationen abwickelten. Auch wenn die Mendelssohn-Bank damals noch Juniorpartner weitaus älterer und größerer Häuser war und dementsprechend auch nur einen relativ geringen Anteil der Gesamtsummen übernahm, waren diese Geschäfte doch sehr lukrativ und begründeten den Rang der Mendelssohns als eine der wichtigsten deutschen Privatbanken, die von nun an für mehr als ein Jahrhundert das wirtschaftliche Rückgrat der Familie Mendelssohn bilden sollte.

Nach dem Ausscheiden Abraham Mendelssohns zum Jahresende 1821 und eines weiteren Teilhabers im Jahr 1827 führte Joseph die Geschäfte zunächst mit seinem Sohn Alexander weiter. 1833 trat dann der jüngste Sohn Abrahams, Paul Mendelssohn-Bartholdy, zunächst als einfacher Angestellter in die mittlerweile als »Mendelssohn & Co.« bezeichnete Bank ein. Mit dem Tod Joseph Mendelssohns stieg Paul 1848 zum Juniorchef neben Alexander Mendelssohn auf; von nun an bestimmten bis 1935 jeweils ein Nachkomme Joseph Mendelssohns und Abraham Mendelssohn Bartholdys gemeinsam die Geschicke der Bank.

Schwerpunkte der Bankgeschäfte im mittleren und späten 19. Jahrhundert waren unter anderem die Finanzierung der in rascher Folge neu zu erbauenden Eisenbahnlinien, die Platzierung von deutschen und ausländischen Staatsanleihen auf dem deutschen Markt sowie Finanzgeschäfte aller Art mit dem russischen Zarenreich, wohin die Mendelssohns über lange Zeit persönliche Beziehungen bis hinauf an den kaiserlichen Hof pflegten. Eine wichtige Rolle spielte daneben auch das Privatkundengeschäft. So verwalteten die Bankiers der Familie Mendelssohn vielfach das Vermögen ihrer in anderen Berufsfeldern tätigen Familienangehörigen, aber auch die Konten zahlreicher anderer bedeutender Künstler und Gelehrten, darunter Alexander von Humboldt, Hermann Fürst von Pückler-Muskau, Arthur Schopenhauer und Clara Schumann. Hingegen hielt sich die Bank nach einigen wenig erfolgreichen Versuchen in den Jahren um 1870 fortan von direkten Beteiligungen an Industriebetrieben weitgehend fern.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 und dem Tod der beiden Seniorchefs Franz von Mendelssohn und Paul von Mendelssohn-Bartholdy, die beide im Frühsommer 1935 innerhalb weniger Wochen starben, ging Mendelssohn & Co. im Herbst 1938 auf Druck der nationalsozialistischen Machthaber in Liquidation, wobei die laufenden Geschäfte sowie ein erheblicher Teil der Mitarbeiter von der Deutschen Bank übernommen wurden.

Das Signet, das Joseph Mendelssohn für sein Bankhaus wählte, zeigt einen auf einem Bein stehenden Kranich, der in dem hochgehobenen Bein eine Kugel trägt, und die Beischrift »Ich wach«. Dieses Motiv geht zurück auf eine erstmals bei dem römischen Naturforscher Plinius dem Älteren nachweisbare Legende, dass Kraniche nachts Wachen aufstellten, die mit einem Fuß einen Stein hochhielten, der, wenn sie einschlafen sollten, ihnen entgleiten und sie so wieder aufwecken würde.


Quellen zum Bankhaus Mendelssohn in der SBB

Im Jahr 1983 konnte die Staatsbibliothek aus Familienbesitz die erhaltenen Teile des Bankarchivs erwerben. Es handelt sich dabei um zehn großformatige Konvolute, die in den frühen 1930er Jahren von einem Bankmitarbeiter aus einem sicherlich sehr viel umfangreicheren Dokumentenbestand ausgewählt und zusammengestellt wurden und in zahlreichen Briefen und gedruckten Schriftstücken die Geschichte der Bank von der Gründung bis ins Jahr 1875 (jedoch mit einer Lücke für den Zeitraum 1855–1864) sowie die Geschicke einer 1920 gegründeten Amsterdamer Filiale dokumentieren. Die übrigen Dokumente aus der Zeit zwischen 1875 und 1938 müssen hingegen als verschollen gelten.