Musik

Fanny Hensel, geb. Mendelssohn (Bartholdy) (1805–1847) W

Der ältesten Tochter von Abraham und Lea Mendelssohn (Bartholdy) war die Musik offenbar schon in die Wiege gelegt; jedenfalls befand die Mutter unmittelbar nach der Geburt, das Kind habe »Bach’sche Fugenfinger«. Tatsächlich zeigte Fanny schon früh außergewöhnliches musikalisches Talent. Gemeinsam mit dem Bruder Felix erhielt sie Unterricht bei einigen der besten Musiker Berlins; unter anderem erteilte Carl Friedrich Zelter, der Leiter der Berliner Sing-Akademie, ab 1819 den beiden Geschwistern Kompositions- und Theorieunterricht. Freilich waren Ziel und Zweck der musikalischen Ausbildung in den Augen der Eltern bei Fanny andere als bei Felix: Während letzterer auf eine Laufbahn als professioneller Musiker vorbereitet wurde, sollte die Musik für Fanny nach dem Willen des Vaters lediglich privates Vergnügen und gesellschaftliches Dekorum sein.

Im Jahr 1822 lernte Fanny den Maler Wilhelm Hensel kennen. Lea und Abraham Mendelssohn standen der sich anbahnenden Romanze zwischen ihrer Tochter und dem Pfarrerssohn Hensel, der weder eigenes Vermögen noch ein festes Auskommen vorweisen konnte, zunächst sehr reserviert gegenüber. Erst nach Wilhelms Rückkehr von einem mehrjährigen Studienaufenthalt in Rom im Herbst 1828 und seiner bald darauf erfolgten Ernennung zum preußischen Hofmaler gaben die Eltern ihr Einverständnis zur Hochzeit, die am 3. Oktober 1829 in Berlin stattfand. Nach der Hochzeit bezogen die Hensels die Gartenwohnung des elterlichen Hauses in der Leipziger Straße 3. Im Juni 1830 wurde das einzige Kind des Paars, der Sohn Sebastian, geboren, der später mit seinem Werk Die Familie Mendelssohn 1729–1847 nach Briefen und Tagebüchern zum Familienchronisten werden sollte.

Von ihrem Mann in ihren musikalischen Neigungen bestärkt, nahm Fanny 1831 die Tradition der von ihren Eltern in den 1820er Jahren begründeten »Sonntagsmusiken« nach längerer Unterbrechung wieder auf. Fanny wirkte hier als Pianistin und Dirigentin mit; vereinzelt brachte sie auch eigene Werke zur Aufführung. Die sonntäglichen Konzerte im Gartensaal der Leipziger Straße 3 wurden bald zu einer festen Größe im Berliner Musikleben, bei der sich häufig auch durchreisende Musiker hören ließen; 1844 berichtete Fanny an ihre Schwester Rebecka, es seien »22 Equipagen auf dem Hof und Liszt und 8 Prinzessinnen im Saal« gewesen.

Fanny Hensel hinterließ rund 450 Kompositionen. Ganz überwiegend handelt es sich dabei um Klavierstücke, Lieder und Duette. Dass Fannys kompositorisches Schaffen sich vorwiegend auf diese kleiner besetzten Formen konzentrierte, dürfte zum einen damit zusammenhängen, dass ihre Ausbildung bei Zelter auf diese Formen zentriert gewesen war. Zum anderen hatte die Komponistin sicherlich auch die Aufführungsmöglichkeiten im Blick, die sich in erster Linie auf das Musizieren im eigenen Haus oder in Salons von Freunden beschränkten. In den frühen 1830er Jahren schrieb sie jedoch auch eine Orchesterouvertüre sowie mehrere Werke für Soli, Chor und Orchester, die sie im Rahmen ihrer »Sonntagsmusiken« oder bei Familienfeiern aufführte.

Schon in jungen Jahren hatte Fanny Hensel davon geträumt, nach Italien zu reisen. Erst 1839 sollte dieser Traum endlich in Erfüllung gehen, als das Ehepaar Hensel mit dem neunjährigen Sohn Sebastian gen Süden aufbrach. Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in Venedig erreichte die Familie Ende November 1839 über Bologna und Florenz kommend Rom. Dort bezog sie für rund sechs Monate eine Wohnung in der Nähe der Spanischen Treppe. Anfang Juni 1840 reisten die Hensels weiter nach Neapel, von wo sie im August die Rückreise nach Deutschland antraten. Die Bedeutung des Rom-Aufenthaltes für Fanny ist kaum zu überschätzen. Von der Atmosphäre in der geschichtsträchtigen Stadt begeistert, blühte sie fernab des großbürgerlichen Lebensstils der Berliner Familie und inmitten eines Kreises befreundeter Künstler und Musiker aus Deutschland und Frankreich auf, die ihrem Klavierspiel und ihren Kompositionen hohe Anerkennung zollten.

Als bleibende Erinnerung an die Italienreise legte Fanny im Sommer 1841, also rund ein Jahr nach ihrer Rückkehr nach Berlin, das »Reise-Album 1839–1840« an. Es enthält in eigenhändiger Reinschrift 18 Kompositionen, die entweder während der Italienreise oder in der Zeit danach in Erinnerung an das Erlebte entstanden waren. Zu Beginn jedes Stückes zeichnete ihr Mann eine Vignette. Diese Vignetten zeigen ebenfalls »italienische« Motive und geben zusammengenommen die wichtigsten Punkte der Reiseroute wieder.

Gegen das Diktum des Vaters, dass sie als Musikerin nicht in die Öffentlichkeit treten solle, wie auch gegen den Willen des Bruders entschloss sich Fanny 1846 zur Publikation ihres Opus 1 – eines Heftes mit sechs Liedern –, dem bis zu ihrem frühen Tod sechs weitere Hefte folgen sollten. Am 14. Mai 1847 erlitt sie während der Proben der Ersten Walpurgisnacht ihres Bruders einen Schlaganfall, an dessen Folgen sie noch am selben Tag starb.


Quellen zu Fanny Hensel in der SBB

Mit der Schenkung des Mendelssohn-Archivs durch Hugo von Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1964 gelangten rund 20 Autographenbände mit dem Großteil des kompositorischen Nachlasses von Fanny Hensel in die Musikabteilung SBB, die in der Folge immer wieder durch weitere Autographen ergänzt werden konnten – zuletzt mit mehreren Manuskripten aus dem Besitz der Urenkelin Cécile Lowenthal-Hensel, die der Staatsbibliothek ihren Nachlass testamentarisch vermachte. Alle Musikautographen Fanny Hensels sind in der Datenbank RISM nachgewiesen und zu großen Teilen auch bereits digitalisiert und online zugänglich. Daneben sind in der Musikabteilung zahlreiche zeitgenössische und moderne Druckausgaben der Werke Fanny Hensels vorhanden. Briefe von und an Fanny Hensel finden sich insbesondere in zwei großen Familien-Teilnachlässen. Ebenso zu den Beständen der SBB gehören alle erhaltenen Tagebücher Fanny Hensels.

Bestände / Nachlässe (in Auswahl)

Werke, Briefe und Dokumente

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