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Sebastian Hensel (1830–1898) W

Sebastian Hensel wurde im Sommer 1830 als erstes und einziges Kind von Fanny und Wilhelm Hensel geboren. Als Einzelkind wuchs er recht behütet unter den Augen beider Eltern auf. Umso einschneidender war die Zäsur, die der plötzliche Tod der Mutter Fanny im Mai 1847 für das Leben des knapp Siebzehnjährigen bedeutete, zumal auch der Vater durch dieses Ereignis nachhaltig aus der Bahn geworfen wurde. Elternersatz fand er vor allem in seiner Tante Rebecka Dirichlet, die ihm eine mütterliche Freundin wurde und ihn in ihrem Hause gesund pflegte, als er im Winter 1847/48 schwer erkrankte. Daneben hatte er auch engen Kontakt zum jüngsten Bruder seiner Mutter, dem Bankier Paul Mendelssohn-Bartholdy, der ihn wohl vor allem auch in beruflicher Hinsicht beriet und unterstützte.

Schon als Kind zeigte Sebastian bedeutendes zeichnerisches Talent, von welchem unter anderem das bekannte, 1851 entstandene Aquarell des Gartenhauses der Leipziger Straße 3 zeugt. Somit lag es lange Zeit wohl zumindest im Bereich des Möglichen, dass Sebastian dereinst in die Fußstapfen seines Vaters treten würde. Nachdem er in den aufgewühlten Wochen nach der Märzrevolution 1848 das Abitur bestanden hatte, entschied sich Sebastian Hensel aber für die Landwirtschaft. Zunächst verbrachte er einige Jahre auf verschiedenen Gütern sozusagen »in der Lehre«, anschließend absolvierte er ein Studium an der Landwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim bei Stuttgart. Anfang 1856 erwarb Sebastian Hensel das Gut Groß Barthen in der Nähe von Königsberg, das er in den ersten Jahren erfolgreich und gewinnbringend bewirtschaften konnte.

Im Sommer desselben Jahres heiratete er Julie von Adelson, mit der er fünf Kinder hatte. Gesundheitliche Probleme der Frau und der Kinder, denen das feuchte Klima der Pregelniederung zusetzte, aber auch wirtschaftliche Probleme nach dem extrem regnerischen Jahr 1867 bewogen Hensel dazu, Ende 1872 Groß Barthen zu verkaufen und nach Berlin zurückzukehren.

Glaubt man Hensels Memoiren, sollte die Reichshauptstadt nur Durchgangsstation sein: demnach plante Hensel, bei Weimar ein neues Gut zu erwerben. Ganz überraschend sei er dann Anfang 1873 von Adalbert Delbrück, einem der Mitbegründer der Deutschen Bank, überredet worden, als Co-Direktor in die neugegründete Berliner Markthallengesellschaft einzutreten. Indes erscheint schwer nachvollziehbar, warum Delbrück dem kaufmännisch völlig unerfahrenen ehemaligen Gutsbesitzer Hensel gleich eine Leitungsposition in einem nicht ganz unbedeutenden Unternehmen antrug, so dass anzunehmen, dass hier auch die Verbindungen seines Onkels Paul Mendelssohn-Bartholdy eine Rolle spielten. Jedenfalls war Hensel von nun an in mehreren Unternehmen zunächst mit der Planung öffentlicher Markthallen, später dem Bau und der Leitung des Hotels »Kaiserhof« sowie schließlich als Direktor der »Deutschen Baugesellschaft« mit der Verwaltung von Mietshäusern betraut, bis er 1889 aus dem aktiven Berufsleben ausschied.

Der Nachwelt ist Sebastian Hensel vor allem durch seine erstmals 1879 erschienene Familienbiographie Die Familie Mendelssohn 1729–1847. Nach Briefen und Tagebüchern bekannt, die allein in Deutschland bis Ende der 1920er rund 20 Neuauflagen erlebte. Ihren Ursprung hatte diese Darstellung, die trotz ihrer an manchen Stellen beschönigenden Tendenz bis heute eine wichtige Quelle für die Familiengeschichte darstellt, schon rund 15 Jahre früher gehabt, als der junge Familienvater nach dem Tod des eigenen Vaters Wilhelm im Jahr 1861 die an ihn gelangten Briefe und Dokumente zu sichten und zu ordnen begann und wesentliche Züge der Familiengeschichte zunächst primär für seine Kinder niederschrieb.

Daneben verfasste Sebastian Hensel auch eine Biographie des mit ihm befreundeten Pädagogen Carl Witt, einen Band Naturgeschichten für Kinder sowie eine Autobiographie, die 1903 posthum von seinem Sohn Paul herausgegeben wurde. Nur für den engsten Familienkreis schrieb er schließlich mehrere Märchenerzählungen, die zum Teil in Reinschriften überliefert sind, die Hensel selbst mit Aquarellen illustrierte.


Quellen zu Sebastian Hensel in der SBB

Dass sich überhaupt eine große Anzahl von Familiendokumenten aus der Familie Mendelssohn bis auf die heutige Zeit erhalten haben, ist ganz wesentlich der Ordnungs- und Sammeltätigkeit Sebastian Hensels zu verdanken. Sein Nachlass wurde nach seinem Tod unter seinen fünf Kindern aufgeteilt, wobei Art und inhaltlichen Kriterien dieser Aufteilung bislang allenfalls in Ansätzen zu erahnen sind. Erhebliche Teile des einst im Besitz von Sebastian Hensel befindlichen Quellenmaterials gelangte bereits 1964 mit der Schenkung des Mendelssohn-Archivs in die Staatsbibliothek. Diese Bestände konnten später durch zwei weitere große Teilnachlässe ergänzt werden, die neben Dokumenten der Vorfahren auch in erheblichem Umfang eigene Korrespondenz und Schriftstücke Sebastians Hensels enthalten. Daneben ist anzunehmen, dass auch zahlreiche weitere, von der Staatsbibliothek im Laufe der Jahre aus verschiedenen Quellen einzeln erworbene Dokumente aus der Familie Mendelssohn einst im Besitz von Sebastians Hensel waren.

Bestände / Nachlässe (in Auswahl)

Werke, Briefe und Dokumente

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